Lizenz zur Zufriedenheit
eingeschlagen.“ Oder: „Wer morgens pfeift, den holt abends die Katz.“ Oder auch: „Wenn es dem Esel zu bunt wird, geht er aufs Eis.“ Sich dieser Bedeutungsgebungen nach und nach bewusst zu werden, kann Ihnen helfen zu verstehen, ob Sie in einem eher zufriedenheitsfreundlichen oder zufriedenheitsfeindlichen Umfeld aufgewachsen sind und welches Level an Zufriedenheit für Sie normal ist, welches Level aber auch „unerhört“ ist und Ihnen somit gar nicht zusteht. Und je mehr Letzteres zutrifft, umso intensiver müssen Sie daran arbeiten, diese Bedeutungsgebungen zu hinterfragen und ggfs. einem Update zu unterziehen.
Wir sind meistens von gestern
Vergegenwärtigen Sie sich bitte noch einmal die Theorien der kognitiven Dissonanz und der Bestätigungsverzerrung, die ich zu Anfang dieses Kapitels kurz erläutert habe. Nehmen Sie die Erkenntnisse über automatisierte Gefühlsschemata, Modelle der Welt und sich selbst erfüllende Prophezeiungen hinzu – und schließlich das Wissen um unseren unbändigen Wunsch nach Zugehörigkeit zu unserem Herkunftssystem. Daraus kann sich ein ziemlich ungenießbarer Cocktail ergeben. Je nachdem, welche Art von Hypothek Sie mitbringen, müssen Sie sich möglicherweise an Erfolg und Zufriedenheit erst grundlegend neu gewöhnen . Obwohl es sich von Natur aus „gut anfühlen sollte, sich richtig gut zu fühlen“, kann aufgrund Ihrer früheren Lernerfahrungen diese Art des Seins bis dato „jenseits Ihres Gefühlshorizonts“ liegen. Wenn dem so sein sollte, ermutige ich Sie, schnellstmöglich Ihre Koffer neu zu packen und sich auf den Weg in die neue Welt zu machen. Nützliche Werkzeuge zum Navigieren finden Sie im Übungsteil dieses Kapitels.
Gelungene Persönlichkeitswicklung hat für mich dementsprechend immer auch den Charakter der „Ent-Deckung“, also des Freilegens dessen, was unter der Schicht von Primärsozialisation (Interaktion mit den Eltern, individuelle Erziehung) und Sekundärsozialisation (Schule, Konventionen, die „Gesellschaft an sich“) begraben liegt. Davon gilt es sich zu emanzipieren und zu entscheiden, was guttut, nützlich ist und übernommen werden soll. Jedoch auch zu entscheiden, was weg kann – selbst dann, wenn es von Herzen und mit den besten Absichten gegeben wurde.
Entgrenzende Literatur
Auch das Thema dieses Kapitels findet sich natürlich in der Literatur und den Kinos wieder. Das Überwinden von Grenzen, gegeben durch Herkunft und / oder die herrschenden Konventionen, ist ein Kernthema der meisten klassischen wie auch aktuellen Märchen. Der moderne Prototyp ist vielleicht die Fabel „Die Möwe Jonathan“ von Richard Bach, ein millionenfach verkauftes Buch der 1960er- und 1970er-Jahre. 225 Das Motiv des „Über-sich-selbst-Hinauswachsens“ ist zugleich der Gegenstand der klassischen Gattung des Bildungs- bzw. Entwicklungsromans; mich persönlich hat z. B. Hermann Hesses „Siddhartha“ 226 sehr fasziniert. Ebenso findet es sich in vielen Klassikern der Spiritualität und der Esoterik, z. B. im „Pfad des friedvollen Kriegers“ von Dan Millman. 227 Ich bin wissenschaftlich ausgebildet sowie rational veranlagt und hoffe, dass Sie mir mittlerweile abnehmen, dass ich mit beiden Beinen auf der Erde stehe. Trotzdem glaube ich, dass es nicht schaden kann, das eine oder andere Buch dieser Art gelesen zu haben. Wohlgemerkt nicht als eine Beschreibung „dessen, was ist“ oder gar als Gebrauchsanweisung für das Leben. 228 Sondern als Inspiration für das Leben in dieser Welt. Viele Menschen sind einfach allzu leicht bereit, Konventionen, Grenzen, ihr (übernommenes) Modell der Welt als gegeben und unumstößlich hinzunehmen. Wenn also die eine oder andere „phantastische Geschichte“ dazu dienen mag, die selbst gesetzten Barrieren des eigenen Bedeutungshorizonts infrage zu stellen, einen Weg für die weitere persönliche Entwicklung zu bahnen, dann kann und will ich daran nichts Schlechtes finden. In unzähligen Motivationsbüchern und auf Webseiten wird das Walt Disney zugeschriebene Bonmot „If you can dream it, you can do it!“ hochgehalten (sinngemäß: Wenn du es träumen kannst, kannst du es auch tun!). Dies wiederum halte ich für grundfalsch! Es entbehrt jeglicher rationaler Grundlage und widerspricht der Lebenserfahrung der meisten Menschen. Die Umkehrung des Sinnspruchs macht jedoch eine Menge Sinn: „If you can’t dream it, you can’t do it.“
Das weitere Motiv dieses Kapitels, die Altlasten aus der Kindheit – und
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