Lizenz zur Zufriedenheit
Sie ist an dieser Stelle wesentlich strukturierter und hält unseren Laden zusammen. Doch gerade weil ich so unstrukturiert bin, habe ich vermutlich besonders von der Handvoll an Selbstmanagement-Techniken profitieren können, die ich im Laufe der ersten Berufsjahre erlernen durfte. Ich bin allerdings nach wie vor kein großer Freund von To-Do-Listen und ähnlichen Hilfsmitteln. Zumindest dann nicht, wenn das Ganze so akribisch betrieben wird, dass das Pflegen dieser Listen selbst wieder zum Zeitfresser wird – was mir durchaus schon untergekommen ist. Ich habe mich jedoch – bedingt durch die vielen Coaching-Ausbildungen ab Mitte 20 – schon in recht jungen Jahren sehr viel mit der Fragestellung beschäftigen können, was für mich wirklich wichtig in diesem Leben ist, was mich „zum Ticken“ bringt. Und auch: Was ich gut kann. 248
Hier liegt auch der für mich essenzielle Unterschied zwischen Zeitmanagement und Selbstmanagement: Zeitmanagement lehrt uns im besten Fall, „die Dinge richtig zu tun“. Es geht um die Optimierung von Abläufen und Regeln, so wie z. B. auch der Produktionsleiter einer Fabrik versuchen wird, durch verbesserte Prozesse mehr Output bei gleichem Input zu erzielen. Allerdings ist dieser Ansatz völlig wertlos, wenn in jener Fabrik dummerweise nur Produkte hergestellt werden, die am Markt nicht mehr nachgefragt werden. Es gibt also noch eine zweite, weitaus wichtigere Dimension: Diese dreht sich darum, „die richtigen Dinge zu tun“. Übertragen auf das Thema des Buches bedeutet das: Zeitmanagement-Techniken (wie die zuvor genannten To-Do-Listen) sind gut und schön. Allerdings sind sie völlig nutzlos, wenn die falschen Dinge auf Ihrem Zettel stehen. An diesem Punkt können Zeitmanagement-Techniken sogar gefährlich werden, weil sie z. B. Erschöpfungszuständen Vorschub leisten können. Denn: Wer diese Techniken für sich nutzt, um immer noch mehr von den falschen Dingen zu tun, gerät leicht in eine Art Abwärtsspirale. Es ist durchaus möglich, sich regelrecht „in den Burnout hineinzuoptimieren“. Vor dieser Falle möchte ich Sie gerne bewahren.
Passend dazu einige Worte zum Thema Perfektionismus: Ich wünsche mir manchmal, die vielen Perfektionisten dieser Welt würden ihren Perfektionismus dazu nutzen, um damit perfekt gegen ihren Perfektionismus vorzugehen. Das wäre hochgradig nützlich. Ab und zu schlage ich das meinen Klienten sogar vor. Das ist eine super Sache, wenn man Menschen in einen echten Verwirrungszustand bringen möchte. Und Verwirrung wiederum ist das Tor zur Erleuchtung, so ein Zen-Sprichwort. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich mag Perfektionisten. Ich mag sie, wenn sie als Sicherheitsingenieure im Atomkraftwerk, als Pilot oder Gehirnchirurg arbeiten. Abseits davon können sie leider die Pest sein – aber das ist o. k., denn sie strafen typischerweise nicht nur andere Menschen mit diesem Charakterzug, sondern vor allem auch sich selbst. Denn faktisch ist übertriebener (negativer) 249 Perfektionismus ein Vorbote vieler psychischer Erkrankungen, allen voran Depressionen 250 – und dem eng damit verwandten Burnout-Syndrom. 251 Wenn Sie also zum Stamme „nur perfekt ist gut genug“ gehören, empfehle ich Ihnen, sich gesondert dieses Themas anzunehmen. Sie tun damit sich selbst und Ihren Mitmenschen einen Gefallen.
(Fast) Fehlanzeige: Zeitmanagement in der psychologischen Forschung
Da Sie offensichtlich ein Buch wie dieses hier lesen, besteht eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, dass Sie auch mindestens ein Buch zum Thema Zeitmanagement im Bücherregal stehen haben. Diese verkaufen sich nach wie vor wie geschnitten Brot. Unter den erfolgreichsten Sachbüchern aller Zeiten finden sich viele Titel, die sich jenem Themenbereich widmen (z. B. Stephen Coveys „7 Wege zur Effektivität“ 252 , David Allens „Getting things done“ 253 oder Küstenmachers und Seiwerts „Simplify your Life“). Auch wenn man einschlägige Seminarbörsen durchschaut, wird man überproportional viele Angebote aus eben jenem Themenbereich finden. In den letzten Jahren hat sich eine eigene Szene im Internet gebildet („Life Hacking“), die sich intensiv über Techniken und Werkzeuge zum Zeitmanagement und zur Produktivitätssteigerung austauscht. Einen erneuten Popularitätsschub hat das Thema in der jungen, internetaffinen Generation durch die „Vier-Stunden-Woche“ von Timothy Ferriss (2011) erhalten.
Allerdings gibt es einen ziemlich eklatanten Widerspruch zwischen
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