Lloyd, Sienna
Gabriel dringt immer tiefer in mich ein und ich bin tropfnass. Plötzlich wird das Licht heller, es wird taghell. Ich wache auf. Ich habe das Gefühl, ich hätte diesen Traum die ganze Nacht über mehrmals gehabt und wäre dabei immer wieder gekommen.
Seit gestern Abend habe ich die Gewissheit, dass seine Lust auf mich nicht verflogen ist, das haben mir seine Blicke gesagt, und meine Annäherung an Charles hat ihre Wirkung ebenfalls nicht verfehlt. „
Du gehörst mir.
“ Ja, aber Sie, Gabriel, Sie … Sie gehören mir nicht.
Ich verschlinge das Frühstück, das mir Magda bringt, zum Hungern bin ich einfach nicht geschaffen! Heute werde ich brav arbeiten und mich den ganzen Tag mit meinem Manuskript befassen. So komme ich sicherlich auf andere Gedanken.
Als ich zu ihm komme, steckt Charles gerade seine Nase in einen Stapel alter Bücher. Er trägt seine Lesebrille, ein imposantes trendiges Modell mit schwarzem Gestell. Sein Zweitagebart verleiht ihm das Aussehen eines verfemten Dichters.
„Oh, Héloïse … oder Élise, wie heißt du noch mal?“
„Wie ich sehe, ist Rebeccas Vergesslichkeit ansteckend!“
„Ich nehm dich ja nur auf den Arm! Aber dank ihr haben wir alle deinen entzückenden Spitznamen „Hello“ kennengelernt. Wirklich süß.“
„Ja, wenn man zehn Jahre alt ist!“
„Viel älter bist du doch nicht!“
„Nun ja, im Gegensatz zu einem Greis wie dir wohl nicht …“
Ich liebe meine Schlagabtäusche mit Charles. Er lächelt mich an, serviert mir einen Tee und wir beginnen meinen Wissensmarathon über Vampire. Da er früher selbst ein Sterblicher war, kann er meine Fragen verstehen, und ich will ALLES wissen. Vom ersten Vampir über die Entwicklung und die Vollblüter bis zu den Gebissenen. Existieren nach so vielen Jahren der Jagd und der Bisse wirklich noch „echte“ Vollblüter?
„Wie ich sehe, interessiert dich die Verbreitung unserer Art und die Kreuzung zwischen den Unterarten besonders. Hast du vielleicht Pläne mit Gabriel?“
Diese Frage lässt mich erröten. Ich denke absolut nicht an eine wie auch immer geartete Zukunft mit Gabriel. Vor einem Monat konnte ich mir nur schwerlich vorstellen, einen Mann so sehr zu lieben, dass ich Kinder mit ihm haben wollte. Auch nicht, mein ganzes Leben mit ihm zu verbringen, und schon gar nicht, die Mutter von Vampiren zu werden. Das würde voraussetzen, selbst ein Vampir zu werden, und ich weiß ja nicht einmal, wo ich mich in einem Jahr sehe, und schon gar nicht … in einer Ewigkeit. Ich brenne darauf, Charles weitere Fragen zu stellen, doch das Thema Rebecca-Gabriel werde ich mir für Magda aufheben.
Zur Mittagszeit kommt sie mit Sandwiches zu uns. Zu dritt unterhalten wir uns bis weit in den Nachmittag hinein. Ich interviewe die beiden und Magda stellt mir Fragen, vor allem über meine Sterblichkeit. Sie wurde als Vampir geboren, vor so langer Zeit, dass mir bei dem Gedanken schwindelig wird. Sie erzählt mir, wie ihr Vater beschlossen hat, sich ausschließlich vom Blut seiner Feinde zu ernähren. Sie ist froh, dass es seit den Verhandlungen nach der Krise des Blutes keine Toten mehr gibt.
„Es hat ein Jahrtausend gedauert, bis die Vampire sich endlich ernähren konnten, ohne Unschuldige zu töten. Die verpflichtende Blutspende ist ein Geschenk Gottes und geben wir es doch zu, es gibt danach weniger aufzuräumen!“
Wir alle lachen und werden von Frauenstimmen unterbrochen, die sich der Bibliothek nähern. Ich erkenne Rebeccas markante und beeindruckende Stimme, doch sie ist nicht alleine. Als sie eintritt, sehen wir, dass sie von einer jungen Blondine begleitet wird. Sie ist sicher in meinem Alter, theoretisch, inzwischen kann ich einen Vampir von einem Sterblichen mit einem Blick unterscheiden: Vampire haben helle Augen (grüne, wenn sie selbst von Vampiren abstammen, blaue, wenn sie Gebissene sind), makellose, glatte, seidenweiche Haut und ein außergewöhnliches Selbstbewusstsein, das nur Wesen besitzen, die vor der Zukunft keine Angst haben.
„Tolle Stimmung hier, meine Freunde! Das ist meine Freundin Solveig. Solveig, das sind die wunderbare Magda, Charles (Vorsicht, er ist ein Frauenheld!) und Hello, die für ihre Recherchen einige Zeit bei uns zu Gast ist.“
Solveig kommt auf mich zu und mustert mich von oben bis unten.
„Ihr habt eine Sterbliche zu Gast! Das ist ja toll. Irre.“
Solveig sieht aus wie eine Barbiepuppe. Sie hat dichtes, geschmeidiges Haar, man könnte meinen, sie ist mit einer Hollywoodmähne auf
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