Lob der Faulheit
angehören.
Dagegen wird häufig verstoßen. Um eine Aussage über den Nutzen oder Schaden von Joghurt zu machen, werden beispielsweise Mäuse ausschließlich mit dieser Nahrung gefüttert. Aus ihrem Befinden werden dann Rückschlüsse auf Menschen gezogen. Dazu hat ein Wissenschaftsjournalist einmal angemerkt, der Test sei so angelegt, als würde ein Mensch Jahre lang täglich nichts anderes als eimerweise Joghurt verspeisen. Und so etwas gilt als wissenschaftlich!
Frauen haben eine andere Konstitution als Männer. Trotzdem werden Studien, an denen nur Männer beteiligt waren, meist auch auf Frauen bezogen. Das hat in der Vergangenheit bereits zu einigen gravierenden Fehleinschätzungen geführt.
Die Versuchspersonen psychologischer Tests stammen in den meisten Fällen aus dem studentischen Milieu. Genauer gesagt: Es sind in der Regel Psychologie-StudentInnen. Die sind leicht verfügbar und verlangen kein Geld. Die Frage ist nur, wie aussagekräftig die Ergebnisse solcher Tests dann sind, wenn man überwiegend junge, weiße, gebildete, amerikanische Frauen aus der Mittelklasse untersucht. Sind die Ergebnisse ohne Weiteres für Menschen gültig, die sich in Geschlecht, Alter, Klasse, Rasse, Bildung, kultureller und nationaler Zugehörigkeit erheblich von diesen unterscheiden?
– Bleibt die Frage: Wer bezahlt die »wissenschaftliche« Studie? Die Universität? Eine Stiftung? Ein Unternehmen? In der Regel hat derjenige, der ein Experiment finanziert, ein Interesse daran, was dabei herauskommt. Es wäre doch weggeworfenes Geld, wenn ein Pharma-Konzern durch die von ihm bezahlte Studie erfährt, dass seine Produkte gesundheitsschädlich sind. Hier Objektivität zu erwarten, wäre zu viel verlangt.
Die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre ist ein Ideal. In der schnöden Realität ist sie permanent gefährdet.
Sehr wenige Studien erfüllen die strengen Kriterien der Wissenschaftlichkeit. Die meisten sind nicht viel mehr als Meinungsäußerungen von Personen, die sich das Mäntelchen der Objektivität umgehängt haben. Sie dienen nicht selten der Manipulation der Öffentlichkeit.
Wir hatten hier in der Nähe mal ein Institut für Sexualforschung. Es schien im Wesentlichen aus einer schönen Altbauwohnung und einem Blechschild am Haus zu bestehen. Der Leiter lief meist in Joggingklamotten herum. Eine Zeit lang schaffte er es, mit seinen Erkenntnissen in der Presse zitiert zu werden. Ich hatte immer das Gefühl, dass der Laden nicht seriös war. Aber wer weiß, vielleicht habe ich das Institut verkannt und es war in Wirklichkeit eine der größten wissenschaftlichen Einrichtungen unter der Sonne.
Was ich damit sagen will: Seien Sie misstrauisch, wenn Wissenschaftler ihnen etwas über den Wert der Disziplin erzählen.
Eine gefährliche Mischung
Ich erinnere mich an zwei Arbeitskollegen, die sich über ihren Chef unterhielten. Sie meinten, er habe zwar Ideen, setze aber nichts um. Abgesehen davon, dass dies aus meiner Sicht nicht stimmte, schienen mir die beiden, die selbst in einer leitenden Funktion tätig waren, ein viel schwerwiegenderes Problem zu haben: Sie hatten keine Ideen, setzten diese aber kraftvoll um. Soll heißen: Sie arbeiteten fleißig, aber planlos, wie so viele, die sich als Macher betrachten.
Wenn zu viel Wille und Disziplin mit zu wenig Können und Wissen zusammentreffen, ergibt dies eine gefährliche Mischung. Im besten Fall führt es einfach nur zu blindem Aktionismus, im schlechtesten zu destruktiver Höchstleistung.
Meine Mutter hatte ihre eigene Sicht auf diese Dinge. Sie meinte, ein Ratgeber sei besser als zehn Arbeiter. Die moderne Version dieses Spruchs heißt: lieber smart als hart arbeiten. Egal, wie man es bezeichnet, klar ist, dass Arbeit allein keinen Wert hat. Wenn sie nicht sinnvoll ist, schadet sie nur. Deshalb habe ich es, wie viele andere auch, immer als verhängnisvoll angesehen, dass die Gewerkschaften früher – jetzt habe ich es lange nicht gehört – stets »Arbeit für alle« forderten, ohne sie näher zu definieren. Arbeit für alle kann Minijobs, unzumutbare Beschäftigungen oder sogar unbezahlte Arbeit bedeuten.
Hauptsache Arbeit, das ist auch heute noch die Maxime für viele Bürger. Jobs sucht man sich vorzugsweise nach der Höhe der Bezahlung aus, egal wie die sonstigen Bedingungen aussehen, und dann stöhnt man, wenn wieder Montag ist.
Einen Höhepunkt dieser absurden Einstellung zur Arbeit stellen
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