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Lob der Faulheit

Lob der Faulheit

Titel: Lob der Faulheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Hohensee
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Leben sich nur auf Disziplin gründet, sind in Gefahr. Sie führen oft ein freudloses, von reiner Pflichterfüllung gekennzeichnetes Leben und
zwingen sich so stark in ein eisernes Korsett, dass sie am Ende kaputtgehen. Burn-out nennt man das heute. Der persönliche, totale Zusammenbruch wäre ohne eiserne Disziplin unmöglich. Wer sich über längere Zeit immer wieder zu unmenschlichen Leistungen antreibt, wird Opfer einer tiefen Erschöpfung.

    Die Menschmaschine
    Das Ideal preußischer Generäle war der Soldat als menschliche Maschine. Sie zogen willfährige Marionetten heran, die sie nach Belieben steuern konnten. Ohne eigenen Willen, ohne Eigeninteressen, opferbereit bis zum Tod.
     
    Ohne sich voll bewusst zu sein, was sie da eigentlich im Sinn haben, streben einige danach, maschinengleich zu funktionieren. Sie möchten mit der Präzision eines Uhrwerks umsetzen können, was sie sich zum Ziel gesetzt haben. Dieser Plan geht selten auf, es sei denn sie wurden ähnlich wie preußische Soldaten abgerichtet (von Erziehung möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen).
     
    Bücher über Hypnose verherrlichen bisweilen unreflektiert ein Ideal, das besagt, dass ein Teil des Selbst dem anderen vorschreibt, was gemacht werden soll. Es geht darum, ein Herr-und-Diener-Verhältnis zu etablieren.
     
    Dieses Ideal stammt noch aus vordemokratischen Zeiten. Es wurde verinnerlicht und lebt im kollektiven Bewusstsein fort. Erst in neuerer Zeit wurde es ersetzt durch ein an demokratischen Vorstellungen orientiertes Modell. Seitdem konkurrieren die beiden heftig miteinander.
     
    In einer Demokratie ist anerkannt, dass verschiedene Interessen existieren. Es wird diskutiert, gestritten, bis sich die besseren Argumente durchsetzen – manchmal auch die falschen. In einer Demokratie werden Fehler akzeptiert. Keinem wird der Kopf abgeschlagen, bloß weil er einen Irrtum begangen hat.

     
    Entscheidungen werden in einem langwierigen Prozess optimiert. Das mag mühsam erscheinen, hat sich aber als der bessere Weg herausgestellt.
     
    Auf gleiche Weise gehen gut informierte Menschen mit sich selbst um. Sie wissen, dass sich mehrere Stimmen in ihrem Kopf zu Wort melden, gehört und anerkannt werden wollen. Entscheidungen treffen sie nicht willkürlich, sondern nach eingehender innerer Diskussion und dem Abwägen aller Vor- und Nachteile. Die Emotionen dürfen sich lebhaft beteiligen. Auch die Intuition wird befragt. Entscheidungen, die so zustande kommen, brauchen vielleicht mehr Zeit. Aber es lohnt sich.
     
    Menschen fühlen sich in echten Demokratien (wer braucht Scheindemokratien?) wohl. Sie leiden unter Diktaturen. Deshalb verwundert es nicht, dass diejenigen, die eine »innere« Demokratie praktizieren, gesünder sind als andere, die sich schlecht behandeln, die ihr eigener Diktator geworden sind und sich ständig Disziplin abverlangen.
     
    Dass Diktatoren unfehlbar sind, entspricht deren Selbstbild, jedoch nicht der Wirklichkeit. Sie entscheiden schnell und willkürlich. Das mag im ersten Moment beeindrucken. Sobald die Folgen der spontanen Willkürentscheidungen sichtbar werden, wandelt sich das Bild.
     
    Deshalb ist es wichtig, sich für sein Innenleben, das ich hier als innere Demokratie bezeichnet habe, Zeit zu nehmen. Das ist nicht mit Selbstbespiegelung gleichzusetzen(faszinierend, dass Kritiker sofort abwertende Beurteilungen parat haben), sondern entspricht der menschlichen Natur.

     
    Menschen sind geistige Wesen, keine maschinenähnlichen Kreaturen. Im Moment erleben wir den Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Dadurch wird sich das Menschenbild verändern.

     
    Als Anfang des 18. Jahrhunderts die Dampfmaschine erfunden wurde, sahen viele darin ein Modell des Menschen. Sie glaubten, dass sich in uns Energien stauten, die sich entladen müssten. Emotionen wie zum Beispiel Ärger ließe uns manchmal »explodieren«, dann nämlich, wenn der Behälter dem inneren Druck nicht mehr standhielte. Das mag erstmal plausibel klingen, ist aber Unsinn. So wenig wie es Blitze schleudernde Götter gibt, so wenig ähneln Menschen Dampfmaschinen.
     
    Autos, Flugzeuge, Industrieroboter sind zweifellos beeindruckende Erfindungen, aber es besteht kein Grund, sich mit diesen zu vergleichen. Leider sind bei vielen Menschen Erwartungen entstanden, die man normalerweise nur an Maschinen richtet. Sie betrachten ihren Körper als mechanischen Apparat und wünschen, dass er »repariert« wird, wenn sich

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