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Lob der Faulheit

Lob der Faulheit

Titel: Lob der Faulheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Hohensee
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Arbeit zwingt, wenn man eigentlich keine Lust hat. Dass Arbeit Spaß machen könnte, wenn sie nicht fremden Interessen dient: Auf die Idee soll erst gar keiner kommen. Erst üben die Eltern und Lehrer den Zwang aus. Mit der Zeit wird er verinnerlicht. Dann ist das Erziehungswerk vollendet. Der Mensch hat Selbstdisziplin gelernt und ist auch noch stolz darauf. Damit er nicht aus der Übung gerät, wird er der Weisungsbefugnis von Arbeitgebern unterstellt.

     
    Da die Demokratie in Deutschland trotz Hitler nicht aufzuhalten war, soll sich die Bürgerbeteiligung möglichst auf das Kreuzchen-Machen auf dem Wahlzettel alle paar Jahre beschränken, früher in Bund und Ländern in der Regel alle vier Jahre, jetzt in der Regel alle fünf. Je seltener, desto besser. Und wenn die Parteien sich möglichst wenig unterscheiden, ist es sowieso egal, wem die BürgerInnen ihre Stimme geben. Deshalb ist die Frage von Bertolt Brecht »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus – aber wo geht sie hin?« immer noch aktuell.
     
    Mit der DDR endete 1990 die letzte Diktatur auf deutschem Boden. Die Menschen im Westen hatten inzwischen fast 70 Jahre Zeit, Recht und Freiheit kennenzulernen. Das ist historisch gesehen nicht viel, aber es ist ein Anfang.
     
    Die Diktaturen sind weltweit im Absterben, in Osteuropa, in Nordafrika, in Südafrika und vielen anderen Teilen der Welt. Es mag noch eine Weile dauern, und dabei wird es immer wieder Rückschläge geben, aber die weltweite Demokratiebewegung, die mit den Revolutionen in Frankreich und Nordamerika
Ende des 18. Jahrhunderts begann, ist nicht aufzuhalten. Sie erfasst immer größere Bereiche der Gesellschaft: die Familien, die Schulen, sogar das Militär, und sie wird auch vor der Katholischen Kirche, der Wirtschaft und den Banken nicht Halt machen.
     
    Noch verfügen weltweit agierende Konzerne und Banken über eine nahezu unbeschränkte Macht, die an die früherer Kaiser und Könige heranreicht. Wer über Millionen Arbeitsplätze und riesige Vermögen gebietet, muss seine Macht demokratisch legitimieren und die Macht teilen, indem er Mitbestimmung einräumt.
     
    Die Disziplin hat keine Zukunft. In dem Maße, in dem Recht und Freiheit stärker werden, nehmen Zwang und Pflicht ab.

    Lust am Schmerz
    Wie ist es möglich, dass trotz der offensichtlichen Schädlichkeit der Disziplin viele behaupten, die Erziehung dazu habe ihnen gut getan? Zunächst muss man dies einfach als Tatsache akzeptieren. Selbst unter denen, die als Kinder regelmäßig geschlagen wurden, findet man Etliche, die sagen, es habe ihnen nicht geschadet. Im Gegenteil: Erst die strenge Erziehung habe sie zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft gemacht.
     
    Wahrscheinlich ist es zu schmerzlich, sich einzugestehen, dass man als Kind misshandelt wurde. Nun bin ich kein Anhänger der These, dass Gewalt oder überhaupt Fehler in der Kindererziehung später niemals wieder gutzumachen seien. Menschen sind sehr robust und haben eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit. Sie können im Laufe von Jahren und Jahrzehnten oft vollständig regenerieren. Trotzdem ist es falsch, Zwang und Gewalt im Nachhinein zu rechtfertigen und schönzureden.
     
    In der Psychologie ist seit langem bekannt, dass Opfer dazu neigen, die Täter später zu schützen. Auf den ersten Blick ist dies unverständlich, doch um des Überlebens willen sehen Opfer oft keine andere Wahl, als sich auf die Seite der Täter zu stellen.
     
    Ein extremes Beispiel dafür ist das Stockholm-Syndrom. 1973 kam es in Stockholm zu einer mehrtägigen Geiselnahme. Nach der Freilassung zeigten die Opfer überraschenderweise Sympathie und Verständnis für die Täter, während sie die Polizei kritisierten. Es war also zu einer Umkehrung der eigentlich zu erwartenden Beurteilung gekommen.

     
    Grundsätzlich passiert diese Wahrnehmungsverzerrung in allen Abhängigkeitsverhältnissen. Die Autoritäten – Eltern, Lehrer und Vorgesetzte – werden später von den Untergebenen verklärt, gelobt, ihr unethisches Verhalten entschuldigt oder gar als richtig hingestellt.
     
    Stanley Kubrick hat 1964 einen Film mit dem Titel »Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben« gedreht. Es ist eine Satire auf den Kalten Krieg und die atomare Abschreckung. Obwohl ein Nuklearkrieg die Menschheit vollständig auslöschen könnte, haben es Politiker und Generäle immer wieder geschafft, ihre todbringenden Waffenarsenale als notwendig und friedenssichernd darzustellen.
     
    Der

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