Lob der Faulheit
Beschäftigungsgesellschaften dar. Diese können sinnvoll sein, wenn sie – wie seinerzeit in Skandinavien in der Werftindustrie – Umstrukturierungsprozesse begleiten. In Deutschland haben sich jedoch perverse Formen dieser Einrichtungen herausgebildet. Oftmals werden sie gegründet, um die Beschäftigungsstatistiken zu schönen oder Kosten von den Ländern auf den Bund abzuwälzen. Unternehmen, die keinen sinnvollen Existenzgrund und an der Realwirtschaft kaum Anteil haben, wickeln fleißig irgendwelche Scheingeschäfte miteinander ab. Sie korrespondieren untereinander, was das Zeug hält. Wenn das Ganze in einen Spielzeugkarton passen würde, wäre es ein sicherer Anwärter auf den Preis »Spiel des Jahres. So aber sind es nur ein ebenso alberne wie schäbige Instrument der Arbeitsverwaltung, um Leute zu disziplinieren und allen, die in ungeliebten Jobs ausharren, zu signalisieren: Seid bloß froh, dass Ihr nicht bei uns arbeiten müsst.
Nach Artikel 12 des Grundgesetzes haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Grundsätzlich sind dies hervorragende Schutzrechte. Die Freiheit, einen Beruf zu wählen, ist allerdings weitgehend wertlos, wenn Arbeitsplätze chronisch fehlen und an den Universitäten das Prinzip des Numerus clausus die Vergabe von Studienplätzen bestimmt.
Das Verbot der Zwangsarbeit wird so restriktiv ausgelegt, dass Arbeitsverhältnisse, bei denen die Freiwilligkeit in Frage gestellt ist, als legal gelten. Nur wer es sich leisten kann, eine zugewiesene Arbeit abzulehnen, genießt die volle Freiheit des Grundgesetzes. Allen anderen steht es frei, unter Brücken zu schlafen.
Die Älteren werden sich noch an den Reichsarbeitsdient erinnern, den die Nazis »eingeführert« hatten. Bereits im Coburger Arbeitslager, das zum Prototyp der Reichsarbeitslager des Dritten Reiches wurde, galt der Grundsatz: »Keine Wohlfahrtsunterstützung ohne Arbeit«. Die Ränge im Reichsarbeitsdienst gingen vom Arbeitsmann und der Arbeitsmaid über den Arbeitsführer und die Maidenführerin bis zum Reichsarbeitsführer. Die rechten Parteien hatten seit Beginn der Weltwirtschaftskrise immer wieder die Einführung einer Arbeitsdienstpflicht gefordert. Unter diesem Druck wurde 1931 der sogenannte »Freiwillige Arbeitsdienst« gegründet. Der damalige Arbeitsdienstführer beschrieb 1935 das Ideal so: »Dieser von uns geschmiedete Typ des Arbeitsmannes ist das Ergebnis einer Verschmelzung von den drei Grundelementen: des Soldatentums, Bauerntums und Arbeitertums.« Dabei handelt es sich um NS-Synonyme für Disziplin, Ertrag aus »Blut und Boden« und Pflichtbewusstsein. Als Einstieg in die Geschichte des Reichsarbeitsdienstes empfehle ich den sehr informativen Artikel bei Wikipedia zu diesem Stichwort.
In der DDR herrschte bis 1984 Arbeitspflicht. § 249 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs der DDR lautete: »Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten. (1) Wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung dadurch gefährdet, dass er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig
ist, ... wird mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Haftstrafe, Arbeitserziehung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft. Zusätzlich kann auf Aufenthaltsbeschränkung und auf staatliche Kontroll- und Erziehungsaufsicht erkannt werden.«
Das Ministerium des Innern (MDI) wachte über die Einhaltung dieser Bestimmung. Ab 1984 hatte die Regierung der DDR ein Einsehen. Mangels freier Arbeitsplätze wurde der § 249 nur noch eingeschränkt, meist bei Vorbestraften, angewendet.
Mit der NS-Zwangsarbeit sind die Regelungen in der DDR nicht vergleichbar. In Deutschland herrschen gegenwärtig vollkommen andere Verhältnisse. Aber angesichts der barbarischen historischen Fehlentwicklungen ist es dringend geboten, dass jeder, der sich heute für eine Arbeitspflicht, egal in welcher Form, einsetzt, aufpasst, die Vergangenheit in keiner Weise wieder auferstehen zu lassen. »Wehret den Anfängen« ist die Mahnung, die wir aus der deutschen Geschichte ableiten müssen.
Es sollte sich von selbst verstehen, dass die
Weitere Kostenlose Bücher