Lob der Faulheit
indem er mit dem Aikido, dem Weg der Harmonie der Kräfte, eine neue Form der Selbstverteidigung erfand.
Beim Aikido geht es nicht darum, den Angreifer zu verletzen, sondern ihn solange so sanft wie möglich abzuwehren, bis er wieder zur Vernunft gekommen ist. Die höchste Form des Aikido hat derjenige erreicht, der allein durch Worte oder seine einfache Gegenwart den Aggressor beruhigt.
Allzu oft maskieren die »Verteidiger« ihre eigenen Aggressionen. Sie nehmen Provokationen anderer zum Vorwand, um über sie herzufallen, gewalttätiger als der ursprüngliche Anlass es gerechtfertigt hätte. Heute gibt es keine Kriegsminister mehr. Jeder, selbst der aggressivste Diktator, behauptet, sich nur zu verteidigen. Kriege werden nicht mehr offiziell erklärt, sondern beginnen häufig verdeckt. Verhüllend werden sie »bewaffnete Konflikte« oder »militärische Auseinandersetzungen« genannt.
Die Polizei setzt gelegentlich »agent provocateurs« ein. Das sind Personen, die im Auftrag des Staates andere zu Straftaten anstiften sollen, damit die Polizei dann zuschlagen kann. Auf diese Weise werden Angriffe der Staatsmacht zum Schein legitimiert. Der Einsatz von V-Männern, verdeckten Ermittlern und inoffiziellen Mitarbeitern (IMs) ist in einer Demokratie problematisch. Nach Demonstrationen kommt regelmäßig der Verdacht auf, die Polizei habe durch provozierende Spitzel sich selbst den Anlass zum brutalen Eingreifen geschaffen.
Stellen Sie sich vor, wir wären alle viel zu faul, andere anzugreifen. Ab und zu würde irgendein Irrer einen Krieg führen wollen, aber niemand ginge hin: keine Lust, Besseres zu tun, zu viel Action.
Sind es die Fleißigen oder die Faulen, die Kriege führen? Die Antwort ist eindeutig. Welcher Faule hätte die Energie, Tag und Nacht Kanonen zu bedienen, Massaker zu begehen, Waffen zu schmieden und Weltreiche aufzubauen? Das machen nur die fleißigen Soldaten mit großer Disziplin und Willensstärke.
Welcher Faule möchte schon Kriegsheld werden? Was hat man von den vielen Toten, den schweren Verwundungen, den fortwährenden Traumata? Einen Orden vielleicht.
Kriege verstoßen gegen jede Moral. Aber selbst wenn man nur ganz nüchtern die Kosten bedenkt, rechnen sich Kriege nicht. Schon in Friedenszeiten werden durch Rüstungsausgaben so viele Mittel gebunden, dass das Geld für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern und Theatern fehlt, also für alles, was eine Zivilisation ausmacht. Die Kriegszerstörungen werfen Nationen für Jahrzehnte zurück. In den Ländern, in denen der Zweite Weltkrieg tobte, sind die Schäden bis heute nicht vollständig überwunden, schon gar nicht die inneren. Mit welchen Summen soll man Traumata veranschlagen, die über Generationen weitergegeben werden?
Die Menschheit arbeitet im Moment fleißig an zwei Selbstmordprogrammen: Krieg und Umweltzerstörung. Wir müssen zumindest, was das angeht, viel, viel fauler werden.
Ein Gesundheitssystem, das seinen Namen verdient
In unserem »Gesundheitswesen« steckt so viel Mühe und Arbeit. Aber werden wir gesünder? Was ist Gesundheit eigentlich? Die Weltgesundheitsorganisation hat sie definiert als »einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen«. Gegenwärtig schaffen wir nicht einmal den zweiten Teil der Definition.
ÄrztInnen sind rund um die Uhr im Einsatz. Von den frühen Morgenstunden bis in den späten Abend operieren die emsigen ChirurgInnen. Sie tauschen Herzen, Lebern und Lungen aus. Neue Hüft- und Kniegelenke? Alles kein Problem. ZahnärztInnen und ihre KollegInnen aller Fachrichtungen bieten inzwischen auch am Samstag und in den Abendstunden Termine an.
Fleißig werden Medikamente verschrieben. Tausende Medikamente stehen zu Verfügung. Etliche PatientInnen bauen morgens, mittags und abends ein ganzes Arsenal an Pillen und Pülverchen vor sich auf, um es dann zu schlucken. Über 25 Milliarden Euro setzt die Pharmaindustrie jährlich in Deutschland um. Dem Bruttosozialprodukt tut das gut, den Menschen auch?
Der leichtfertige Einsatz von Antibiotika führt zunehmend zu Resistenzen bei den Bakterien, die sie eigentlich bekämpfen sollen. Die Zahl der Gesundheitskrisen und Todesfälle, die durch Medikamentenmissbrauch entstehen, lässt sich nur erahnen. »Iatrogene« Erkrankungen sind ein Tabuthema. Das sind solche, die erst durch den Kontakt mit ÄrztInnen
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