Lob der Faulheit
möchte ich an dieser Stelle anhand der motivierenden Gesprächsführung skizzieren, wie Disziplin und Willensstärke durch Selbstmotivation und Fokussierung der Aufmerksamkeit ersetzt werden können.
Die Methode der motivierenden Gesprächsführung (motivational interviewing) wurde zuerst von William Miller und Stephan Rollnick konzipiert und später von Michael V. Pantalon weiterentwickelt. Sieben Minuten oder weniger genügen, um sie anzuwenden. Sie fördert die Autonomie des Einzelnen und ist daher unvereinbar mit Fremdbestimmung. Wer sich erhofft, andere damit auf besonders raffinierte Weise manipulieren zu können, wird von der motivierenden Gesprächsführung enttäuscht sein. Umso mehr werden die anderen jubeln. Wird es doch endlich möglich, aus der Fremdbestimmung auszubrechen und sein Leben aktiv in die Hand zu nehmen!
Wichtiger als die konkreten Techniken sind die Prinzipien der Sofortbeeinflussung (instant influence), wie Pantalon seine Variante der motivierenden Gesprächsführung nennt. Es sind drei:
Jede Person entscheidet selbst, was sie machen WILL. Niemand MUSS irgendetwas tun.
Jeder ist bereits ausreichend motiviert.
Entscheidend ist, herauszufinden, warum man etwas tun MÖCHTE. Die Gründe, die einen hindern, aktiv zu werden, sind zweitrangig.
Worin unterscheidet sich dieser Ansatz von manipulativen Methoden? Was ist anders als bei den traditionellen Motivationsstrategien?
Bei den herkömmlichen Techniken kommt fast immer eine Form von Zwang zur Anwendung, mal sanft, mal massiv. Es wird gebettelt, argumentiert oder gedroht. Man versucht, sich selbst bzw. den anderen zu disziplinieren. Diese Vorgehensweise
ist respektlos. Deshalb weckt sie die allseits bekannten Widerstände. Eltern, TherapeutInnen, LehrerInnen und Vorgesetzte kennen die offene Rebellion oder das versteckte Sabotieren der Pläne, denen die anderen sich fügen SOLLEN. Interessant ist, dass Menschen Bestrafungen in Kauf nehmen oder in Aussicht gestellte Belohnungen ignorieren, um ihre Selbstbestimmung durchzusetzen. Sie ist ein so hoher Wert, dass manche in Extremfällen bereit sind, dafür zu sterben.
Jeder, der versucht, einen anderen zu etwas zu zwingen, muss mit enormen Widerständen rechnen. Menschen handeln unter Umständen sogar gegen ihre eigenen Interessen, wenn es ihnen wichtiger erscheint, ihre Autonomie zu behaupten. Machtkämpfe überlagern häufig die Sache, um die es eigentlich geht. Aufgrund negativer Erfahrungen in der Vergangenheit können Personen die Kooperation bereits dann verweigern, wenn sie auch nur den kleinsten Eindruck gewinnen, dass sie ein weiteres Mal zu etwas gezwungen werden sollen. Man kann fast sagen, dass einige gegen Manipulation allergisch werden.
Allzu oft wird Motivation als etwas betrachtet, das jemandem erst eingepflanzt werden muss, während sie in Wirklichkeit latent bereits vorhanden ist. Sie braucht nur geweckt zu werden. Deshalb zielt Pantalons Instant-Influence-Methode darauf ab, bereits existierende Motivationen bewusst zu machen. Oft bedarf es nur eines kleinen Anstoßes, um autonomes Verhalten anzuregen.
Manche Therapeuten empfehlen, alle Gründe zu erforschen, die jemanden daran hindern, etwas zu tun, das eigentlich in seinem eigenen Interesse liegt. Dieser Tipp ist gut gemeint, aber leider kontraproduktiv. Es bringt wenig, die Widerstände
zu analysieren. In jeder beliebigen Situation bestehen 1.000 Gründe, die gegen ein Handeln sprechen. Jemand ist zu müde, hat keine Lust, keine Zeit, kein Geld, muss dringend erst noch etwas anderes erledigen, fühlt sich gerade zu gestresst, möchte mehr Informationen und so weiter und so weiter.
Sobald man jedoch einen einzigen triftigen Grund sieht, einen Schritt in Richtung auf sein Ziel zu machen, sind alle Widerstände wie weggeblasen. Man hat plötzlich Lust, entdeckt einen Weg, ohne viel Geld seine Wünsche zu verwirklichen, findet die nötige Zeit, aller Stress ist vergessen, neue Kräfte wachsen einem zu. Das Wunder hat einen Namen: Selbstbestimmung. Nichts motiviert so stark wie die eigenen Gründe, die man für sein Handeln braucht. Kein Argument eines anderen vermag die höchstpersönlichen Motive zu ersetzen.
Verstehen Sie jetzt, warum Eltern sich so oft völlig vergeblich den Mund fusselig reden, um ihre Kinder zum Handeln oder zum Unterlassen eines bestimmten Verhaltens zu bewegen? Weshalb LehrerInnen es so schwer haben, ihre SchülerInnen zum Lernen zu bringen? Wieso Vorgesetzte selbst
Weitere Kostenlose Bücher