Lob der Faulheit
auftreten. Dazu
gehören beispielsweise die Infektionen, die aufgrund mangelnder Hygiene vor, während und nach Operationen in Krankenhäusern ausgelöst werden. Aber auch falsche Diagnosen und Therapien gefährden Leib und Leben der PatientInnen.
Was läuft schief? Wenn Gesundheit vollständiges körperliches, geistiges und soziales Wohlergehen sein soll, bräuchten wir eine andere Lebensweise. Stress ist der Hauptfaktor bei der Entstehung und Verschlimmerung von Krankheiten. Wir beunruhigen uns durch zu viele irrationale, den Tatsachen zuwiderlaufende Gedanken. Ängste und Sorgen, Depressionen und Lustlosigkeit müssten an der Quelle beseitigt werden. Die Hauptursache, das sind die zahlreichen Denkfehler, mit denen wir uns quälen. Vor allem das ständige Müssen baut zu viel Druck auf (»ich muss mehr leisten«, »du solltest nicht so faul sein«, »er darf nicht in der Schule versagen«, »sie muss die besten Noten erreichen«, »es muss mehr für die Gewinne der deutschen Wirtschaft getan werden«, »wir müssen den Gürtel enger schnallen«, »ihr solltet euch alle mehr anstrengen«, »sie dürfen sich erst ausruhen, wenn die Umsätze stimmen«).
Zu viel Arbeit macht Menschen ebenfalls krank. Sie führt unter anderem zu chronischer Erschöpfung. Zum krankmachenden Lebensstil gehören Bewegungsarmut, zu viel Essen, zu viel Rastlosigkeit und zu viele Reize, die die Sinne überlasten. Wer soll das aushalten? Wie sollen Medikamente und Operationen eine falsche Lebensweise ändern?
Wir haben die Wahl zwischen Prävention und Rehabilitation. Krankheiten vorzubeugen ist wesentlich einfacher als sie zu heilen. Für Faule liegt die Entscheidung daher auf der Hand.
Ich habe zu Beginn des Buchs gesagt, mit wie wenig Aufwand Fitness aufgebaut werden kann. Bereits 30 Minuten pro Woche genügen. Weder Blut noch Schweiß noch Tränen fließen dabei. Ganz anders bei der ärztlichen Behandlung. Viel Fleiß, Disziplin und Willensstärke sind nötig, um wieder auf die Beine zu kommen, falls es überhaupt noch eine Chance gibt. Die lutherische Maxime (»nichts als Mühe und Arbeit«) wird durch Vernachlässigung gesunder Verhaltensweisen zur sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Das alte, negative Weltbild (»wir leben in einem Jammertal«) scheint sich zu bewahrheiten.
Was ist es für ein Irrsinn, dass ÄrztInnen aufgrund ihrer mörderischen Arbeitsüberlastung eine weit unterdurchschnittliche Lebenserwartung haben (vor allem ChirurgInnen), dafür aber eine überdurchschnittliche Suizidrate! Von ÄrztInnen würde ich eigentlich erwarten, dass sie in puncto gesundem Lebensstil allen anderen ein Vorbild sind. Die Gesellschaft leidet darunter, dass es zu viele kranke Ärzte, zu viel neurotische Therapeuten und zu viel gottlose Priester gibt.
In Israel erbrachte ein Ärztestreik ein überraschendes Ergebnis. Während dieser Zeit ging die Zahl der Herzinfarkte, Unfälle und weiterer Notfälle, die eine ärztliche Behandlung erforderlich gemacht hätte, drastisch zurück. Alle waren über Nacht wunderbar faul geworden: die ÄrztInnen ebenso wie die PatientInnen.
Faule Lehrer, kluge Schüler
Unsere Schulen sind Lernfabriken geworden, und manchmal sehen sie auch so aus. Obwohl Planwirtschaft sonst allgemein ablehnt wird, geht man im Bildungssystem davon aus, dass sie funktioniert. Die Wirtschafts-Fünf-Jahres-Pläne, die in sozialistischen Staaten seinerzeit üblich waren, nehmen sich gegen deutsche Schul- und Hochschul-Lehrpläne geradezu bescheiden aus. Hier wird nicht über fünf Jahre, sondern bis zu zwölf im Voraus geplant.
Pläne funktionieren nur, wenn sich alle daran halten. Deshalb wird auf Disziplin in den Schulen so viel wert gelegt. Was dem preußischen Militär der Stechschritt war, ist der bundesrepublikanischen Schulverwaltung Pünktlichkeit, Fleiß und – Disziplin. Die deutschen Sekundärtugenden eben.
»Life is what happens to you while you’re busy making other plans«, sang John Lennon 1980 in »Beautiful boy«. Das Leben läuft ab, während du fleißig dabei bist, andere Pläne zu machen. Auf die Schule übertragen hieße das: Lernen findet statt, während die Schulverwaltung gerade andere Pläne macht. Die Aneignung von Wissen, Fähigkeiten und Erfahrungen lässt sich nicht verordnen. Planwirtschaft scheitert, egal, wo sie praktiziert wird.
Lernen geschieht organisch, sprunghaft, chaotisch und nicht systematisch, ordnungsgemäß, nach Plan. Als Beispiel mag der
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