Lob der Torheit
ganz geblendet hat, so habe ich die Narrheit nicht auf eine ganz närrische Weise gelobt.
Ich habe mich aber auch vor dem Vorwurfe zu bewahren, daß ich gar zu beißend sei. Man hat dem Witze zu allen Zeiten die Freiheit eingeräumt, das Tun und Lassen der Menschen durch eine scharfe Hechel zu ziehen, wenn er es nur nicht bis zur wilden Ausgelassenheit treibt. Ich muß mich also sehr darüber verwundern, wie verzärtelt heut zu Tage die Ohren geworden, denen bald alles unausstehlich ist, das sich nicht mit schmeichelhaften und stattlichen Titeln feierlich bebrämt befindet. Einige haben es bis zu einer so verkehrten Frömmigkeit gebracht, daß sie ehender die greulichsten Lästerungen wider Christum anhören können, als wenn man sich nur den geringsten Scherz wider den Papst oder einen Fürsten erlaubt, insonders, wenn der Eigennutz mit im Spiele liegt. Man erlaube mir aber eine Frage: wenn jemand die Vergehungen der Menschen so tadelt, daß er keinen Angriff auf diesen oder jenen insbesondere tut; läßt sichs sagen, daß er beiße? Läßt sichs nicht richtiger behaupten, er lehre und erinnere? Wenn sichs nicht also verhielte, o wie beißend würde sich dann auf vielerlei Weise wider mich selbst sein! Anbei, wer keinen Stand der Menschen vorbei geht, der legt an den Tag, daß er nicht auf irgend einen Menschen übel zu sprechen sei, sondern auf alle und jede Laster. Wenn jemand darüber klagen wollte, daß man sich an ihm vergriffen habe, so würde er verraten, daß er, wo nicht ein böses Gewissen, doch gewiß Furcht im Leibe habe. Diesorts hat der heilige Hieronymus sich einen weit freiern und beißendern Scherz erlaubt, indem er zuweilen diesen und jenen mit Namen nennt. Ich habe mir es nirgends verstattet, jemanden namentlich anzuführen, und meine Schreibart ist durchgehend so eingerichtet, daß es jeder verständige Leser bald einsehen wird, es sei mir mehr um das Vergnügen als um das Beißen zu tun gewesen. Ich habe nirgends, nach dem Beispiele Juvenals, in dem Stankpfuhle der Laster gewühlet, sondern mich beflissen, nicht so fest an dem Schändlichen als an dem Lächerlichen zu arbeiten. Der, dem auch noch dieses kein Genügen tun will, erinnere sich, es bringe gewiß Ehre, wenn man von der Narrheit gescholten wird. Da ich diese reden ließ, mußte ich sie es auf eine ihrer Person geziemende Weise tun lassen. Aber was verteidige ich mich hier bei einem Manne, der es schon so oft an den Tag gelegt hat, wie geschickt er sei, eine Sache, die eben nicht die beste ist, auf die beste Weise zu verteidigen? Leben Sie wohl, und nehmen Sie dieses Buch, das jetzt das Ihrige ist, in Ihren tapfern Schutz.
Auf dem Lande den 10 . Brachmonats 1508
Lobrede welche die Narrheit sich selbst hält
Was die Sterblichen auch immer von mir schwatzen mögen (ich weiß es, meine Herren, ich weiß es, in welchem bösen Rufe die Narrheit auch bei den größten Narren steht), so bin doch ich es, ich, wie Sie mich hier vor sich stehen sehen, durch deren übermenschliche Kraft den Herzen der Götter und der Menschen die muntersten Freuden eingeflößt werden. Wollen Sie hierüber einen Beweis? Hier ist ein überzeugender:
Kaum war ich aufgetreten, um in dieser zahlreichen Versammlung eine Rede zu halten, so ward plötzlich jedes Antlitz mit einem neuen und ungewöhnlichen Schimmer der Fröhlichkeit übergoldet; plötzlich entfaltete sich jede Stirn; im hellsten liebenswürdigsten Lächeln wird mir von allen Orten der holdeste Beifall zugewinkt. Wo ich meinen Blick hinrichte, sehe ich Gesichter, die mich nicht anderst denken lassen, als jedermann habe sich bei dem Nektar, dem es die Homerischen Götter bei ihrem Gelache gewiß an dem Safte des die Traurigkeit verbannenden Ochsenzungenkrautes nicht fehlen lassen, in die beste Laune getrunken: und vorhin sah jeder so finster und grämlich aus, als ob er geradesweges aus einer Eremitenzelle zurückkomme. Wie wenn die Sonne am frühen Morgen ihr goldschönes Antlitz der Erde zuwendet; wie wenn nach dem rauhen Winter der neue Frühling mit seinem belebenden Hauche kömmt: jugendlich glänzt das Antlitz der ganzen Natur; Farbe, Anzug, alles hat sich verjüngt: also, meine Herren, hat sich auch auf ihren Angesichtern, sobald sie einen Blick auf mich gerichtet hatten, alles geändert. Große Redner! schwarze Sorgen wollt ihr aus den Herzen der Zuhörer verbannen; und wie betreibt ihrs? In einer viele Nächte hindurch abgezirkelten langweiligen Rede arbeitet ihr oft vergeblich daran.
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