Lob der Torheit
er zum mürrischen Greisen, der nicht nur andern, sondern auch sich selbst zur Last fällt. O ja, keinem Sterblichen würde dann sein Zustand erträglich sein, wenn ich nicht mich seiner so vielen Mühseligkeiten erbarmend, ihm zum Beistand eilte. Wenn die poetischen Götter jemanden sehen, der zu Grunde gehen will, so kommen sie ihm mit einer Verwandlung zu Hilfe: ich, wenn ich jemanden erblicke, der bald reif zur Bahre geworden, ruf ihn, so viel möglich ist, wieder in die Kindheit zurück; wie man dann von der zweiten Kindheit derselben vieles zu reden pflegt.
Wie ich sie verwandle? Man soll es hören. Zur Quelle meines Flusses Lethe (er entspringt in den Inseln der Glückseligkeit, und von ihm rinnt nur ein kleines Bächlein in die unterirdischen Gegenden) führ ich sie; und sobald sie sich bei diesem das Vergessen zeugenden Getränk erlabet haben, wird das Gemüh allmählich seines Grams entladen, und vergnügt stehen sie da. – Aber, sie schwatzen ja ganz närrisches Zeug? – Es sei so! Eben dieses heißt ja, wieder jung werden; gerade so muß man plaudern, wenn man Kind heißen will: wirklich ihr unweises Tändeln bringt Ergötzen. Ein Junge, aus dem die Weisheit des Mannes hervorstrotzt: o das ist in Wahrheit ein Mißgeschöpf! Überwitz zeugt Ekel. Anbei, wer könnt es ausstehen, einen Greisen, der bei seinem langen Erfahrungskram alles mit Sprüchen durchwürzte, die er mit Anspannung aller seiner scharfen Beurteilungskräfte zusammengedrechselt hätte, zum alltäglichen Gefährten zu haben?
Weil ich gütig bin, mach ich den Alten zum Narren, der über alle die elenden Sorgen hinausgesetzt ist, mit denen der Weise sich ermartert. Er ist kein unlustiger Tischgefährte; läßt sich das Zutrinken wohl schmecken; das Leben hängt ihm nicht mehr, wie manchem, als eine Last an; etwann wandert er wieder in die Schule zurück, darin man sich Einsicht in die Anfangsgründe der Liebe verschafft; ein Zustand, darin er unglücklich sein würde, wenn er sich noch unter der Herrschaft der Weisheit befände; bei seinen Freunden ist er ein willkommener und zu Freuden aufgelegter Gast. Aus dem Munde des alten Nestors (beim Homer finden wir es) flossen honigsüße Reden, indem aus dem Munde des Achilles nichts als Bitterkeiten hervorsprudelten. Und bei eben diesem Dichter sitzen Greise auf den Mauern der Stadt und ertändeln sich in blumichten Wortspielen. In diesem Gesichtspunkt ist die zweite Jugend der ersten vorzuziehen, die zwar ein Vergnügen verschafft, doch ein noch zu kindisches; dem es an der vornehmsten Belustigung des Lebens fehlt, an der unermüdeten Schwatzhaftigkeit. Hiezu kömmt, daß Alte stets an den Kindern, Kinder an den Alten, Vergnügen finden: Gleich und gleich gesellt sich gern.
Alles stimmt bei diesen überein; außer daß der Runzlichte mehr Geburtsfeste gefeiert hat. Sonst ist alles gleich: weiße Haare, zahnloser Mund, nach der Erde sich bückender Leib, Begierde nach Milchspeisen, Stammeln, Plaudern, Possen, Vergeßlichkeit, Unbesonnenheit, kurz, alles. Je älter der Mensch wird, desto näher kömmt er wieder der Kindheit, bis er auf eine recht kindische Weise, ohne des Lebens überdrüssig zu sein, ohne den Tod zu fürchten, aus dem Leben heraus watschelt.
Es gehe nun, wer dazu Lust hat, und vergleiche das, dadurch ich die Menschen beglücke, mit den Verwandlungen, die das Werk der übrigen Götter waren. Was diese manchmal im auffahrenden Zorne tun, o darüber will ich kein Wort verlieren! Was tun sie aber gegen ihre trautesten Lieblinge? Sie verwandeln sie in einen Baum, einen Vogel, eine Grille, oder wohl gar eine Schlange: als ob eine solche Veränderung, und das zu Grunde gehen, nicht die nämliche Sache wäre. Ich aber, ich stelle den gleichen Menschen wieder in die besten und glücklichsten Umstände seines Lebens. Wenn die Sterblichen sich durchgehends alles Umganges mit der Weisheit entschlagen, und ihr Leben einzig bei mir zubringen wollten, so würde das, was man das Veralten nennt, ihnen immer unbekannt bleiben, und in steter Jugend würden sie beglückt sein.
Sehen Sie mir doch einmal jene Murrköpfe! Philosophisches Grübeln, oder das Betreiben ernsthafter und schwerfälliger Geschäfte, hat sie, ehe sie noch recht Jünglinge waren, zu Greisen verhudelt; Besorgnisse, stete und scharfe Gedankenanstrengung, haben ihre Geisteskräfte, ihre Lebenssäfte nach und nach erschöpft. Sehen Sie dort meine tollen Lieblingssöhne: o wie wohl ausgefüttert sind sie nicht! ihre Haut,
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