Lob der Torheit
von Rotterdam Briefe
, 1995 ). 1492 zum Priester geweiht, verfasste er poetische und sprachdidaktische Arbeiten, insbesondere die Abhandlung
De conscribendis epistolis
( 1522 ;
Anleitung zum Briefeschreiben
, 1980 ), die bis 1600 etwa 80 Auflagen erfuhr und eine starke Wirkung auf die brieftheoretische Literatur der Neuzeit ausübte.
1500 veröffentlichte E. als erste größere Buchpublikation seine
Adagia (Adagiorum collectanea
, später:
Adagiorum chiliades
(
Adagia selecta
),
Mehrere tausend Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten. Auswahl
, 1972 ), eine aus antiken Schriften sowie der Bibel zusammengetragene und kenntnisreich kommentierte Sammlung von Sprichwörtern, Redensarten und Schlüsselbegriffen. Die
Adagia
begründeten seinen Ruhm im gebildeten Europa. In ihre überarbeiteten Neuauflagen fügte E. später theoretische Exkurse ein, die mit ihrer pointierten Rhetorik und ihrem geistreichen Zugriff auf die Schatzkammern der Antike Essays avant la lettre sind. Nachdem er in einer Löwener Klosterbibliothek die bibelkritischen
Annotationen
des Laurentius Valla entdeckt hatte, schrieb er 1503 das
Enchiridion militis christiani
(
Handbüchlein eines christlichen Streiters
, 1958 ), in dem er Grundzüge einer christlichen Ethik (»Philosophia Christi«) entwickelte. 1506 bis 1509 konnte E. sich seinen Traum erfüllen, nach Italien zu reisen. Für ihn bedeutsam wurde vor allem der Aufenthalt in Venedig, wo er bei Aldus Manutius, seinerzeit einer der renommiertesten Drucker Europas, eine erweiterte Edition seiner
Agadia
vorbereitete. 1509 bis 1514 arbeitete er in England, hauptsächlich in Cambridge. In dieser Zeit entstand die Schrift, die bis heute als sein Opus magnum gilt: die
Laus stultitiae
( 1511 ;
Lob der Torheit
, 1975 ). Diese im literarischen Genus des antiken
Enkomions
(Preisgesang) angelegte Streitschrift widmete er seinem Freund Thomas Morus, auf dessen Namen auch der ursprünglich griechische Titel
Moriae encomium
anspielt. Im monologischen Selbstlob der Torheit (sie hält es mit dem Sprichwort: »Lobe dich ruhig selbst, wenn es kein anderer für dich tun will.«) stellt er die Missstände seiner Zeit – von den Umgangsformen und Alltagsüberzeugungen bis zu den Spitzfindigkeiten scholastischer Theologie, den Auswüchsen bornierter Gelehrsamkeit und der Engstirnigkeit geistlicher wie weltlicher Herrschaft – mit viel Sarkasmus, in prägnanten Bildern und in einer ungemein plastischen Sprache bloß. Wie alle satirischen Schriften E.’ fand auch die
Laus stultitiae
nicht nur begeisterte Anhänger, sondern auch erbitterte Gegner. Dies gilt auch für das vor Invektiven strotzende Pamphlet
Julius exclusus e coelis
( 1518 ;
Julius vor der verschlossenen Himmelstür, ein Dialog
, 1969 ) gegen den gerade verstorbenen Papst Julius II . Nach seiner fünften und letzten Englandreise gab E. den Fürstenspiegel
Institutio principis christiani
( 1516 ;
Die Erziehung des christlichen Fürsten
, 1969 ), das
Novum instrumentum
( 1516 ) sowie die
Querela pacis
( 1516 ;
Die Klage des Friedens
, 1969 ) in Druck. 1518 versuchte er sich in einer für ihn neuen literarischen Gattung: dem fiktiven Gespräch. In den
Colloquia familiaria
( 1518 ;
Vertraute Gespräche
, 1967 ) entwickelte er seine Vorstellungen vom christlichen Leben in Frieden, Schlichtheit und wohlwollender Anteilnahme.
Mit dem Jahr 1519 begann die Korrespondenz mit Luther und anderen Reformern – und damit eine für E. unerfreuliche Zeit. Der Konfessionsstreit polarisierte Europa. E.’ Versuche, auf beide Seiten mäßigend einzuwirken, blieben erfolglos. Wider Willen in den Kirchenstreit hineingezogen, schlug sein zu Beginn fast freundschaftlicher Umgang mit Hutten und Luther in vehemente Ablehnung um. Der Streit zwischen den Kontrahenten wurde öffentlich mit Pamphleten und Gegenschriften ausgetragen. Dennoch blieb E.’ Streitlust ungebrochen. Mit dem 1528 veröffentlichten
Dialogus cui titulus Ciceronianus sive De optimo dicendi genere
( 1528 ;
Der Ciceronianer oder Der beste Stil. Ein Dialog
, 1972 ) demonstrierte er einmal mehr seine Meisterschaft als Ironiker und Spötter. Dabei zielte er besonders auf jene Gelehrten, die allein das stilistische Vorbild Ciceros gelten lassen und dieses – wie E. ihnen vorwirft – sklavisch nachahmen, ohne sein Niveau gedanklich und rhetorisch selbst zu erreichen. Unermüdlich gab E. bis zu seinem Tod weiterhin klassische Texte heraus und verfasste eigene Schriften, unter anderem über
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