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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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beklagen, da dasselbe so ausgedehnt ist, daß ich wirklich nicht weiß, ob sich unter allen Sterblichen ein einziger finden lasse, der immer weise ist, und sich von aller und jeder Art des Wahnsinns frei befindet.
    Nur ist hiebei dieses zu bemerken: Wer einen Kürbis sieht und ihn für ein Frauenzimmer hält, wird wahnsinnig genannt; und zwar darum, weil nur wenige in diesen Zustand geraten. Wenn aber jemand schwört, seine Frau, die er mit vielen gemein hat, sei keuscher als Penelope und sich hierüber, in seinem glücklichen Irrtume, was Rechtes zu gute tut, so muß niemand ihn wahnsinnig nennen. Warum? Weil man ja sieht, daß dieses das gemeine Schicksal der guten Männer ist.
    In die gleiche Klasse gehören die, welche alles verachten, das nicht Jagd ist; und behaupten, sie empfinden in sich eine unbeschreibliche Wollust, so oft sie das heulende Gebrüll der Hörner und Hunde hören. Haben sie nicht etwann auch ihre Geruchskräfte so verfeinert, daß es ihnen deucht, der Hundsstall sei mit Zibet durchduftet. Welches süße Vergnügen, wenn es um die Zerreißung des Wildes zu tun ist! Bei Ochsen, Hämmeln überläßt man diese Arbeit dem niedern Pöbel; hier darf nur der Junker Hand anlegen; mit entblößtem Haupte, gebogenen Knien, dem dazu gewidmeten Waidemesser (sich hier eines gemeinen zu bedienen, würde strafwürdiges Verbrechen sein) mit gewissen Gebärden, trennt er gewisse Glieder, in einer gewissen Ordnung, religionsmäßig ab. Die umherstehende Gesellschaft, tief stillschweigend, verwundert sich inzwischen darüber, wie über etwas ganz neues, ob sie gleich solchem Schauspiele mehr als tausendmal beiwohnte. Wer das Glück hat, etwas von dem Tiere zu kosten, der glaubt, daß er dadurch im Adel eine Stufe höher gestiegen sei. Und doch gewinnen sie durch das geflissene Verfolgen des Wildes und das Essen von demselben, anders nichts, als daß sie, ein königliches Leben zu führen vermögend, bald selbst in wilde Tiere ausarten.
    Mit diesen haben jene viel ähnliches, die, durch unersättliche Bausucht hingerissen, das Runde viereckig, und das Viereckige rund machen. Sie wissen weder von Ziel noch Maß, bis sie in die tiefe Armut versunken, weder ein Haus noch etwas zu beißen und brechen haben. Und bleibt ihnen denn gar nichts übrig? O ja; das Angedenken, daß sie einige Jahre in großer Wollust verträumt haben.
    Diesen kommen, meiner Einsicht nach, jene sehr nahe, die sich unterfangen, durch neue und geheime Künste die Natur der Dinge zu ändern, und zu Wasser und Land ich weiß nicht was für einer fünften Kraft nachjagen. Diese weiden sich so königlich mit der süßen Hoffnung: daß sie weder Mühe noch Unkosten bereuen; mit wunderbarem Scharfsinn ergrüblen sie sich immer etwas neues, um sich zu täuschen, und sanft einzuwiegen, bis sie von allem so entblößt sind, daß sie ihren Tiegel kalt und leer müssen stehen lassen. Doch setzen sie ihre schmeichelnden Träume fort und muntern Andere so viel möglich zu einer gleichen Wonne auf. Wenn sie endlich von aller und jeder Hoffnung verlassen sind, so schöpfen sie aus dem Sprüchen »nach großen Dingen gestrebt zu haben, ist Ruhms genug« einen unvergleichlichen Trost. Und dann schmählen sie erbaulich auf die Kürze des Lebens, die so große Unternehmungen neidisch vereitle.
    Noch steh ich im Zweifel, ob ich die Spieler für meine Zunftgenossen erkennen solle. Doch ists närrisch und lächerlich genug zu sehen, wie Einigen, so oft sie die Würfel fallen hören, das Herz im Leibe hüpft und bebt. Wenn sie, durch die Hoffnung auf Sieg stets genarret, an der Spielklippe (kaum haben ehedem an dem lakonischen Vorgebirge Malea so viele gestrandet) Schiffbruch gelitten haben, und kümmerlich mit der Haut entronnen sind, so betrügen sie ehender sonst jedermann, als den Sieger, um ja Biedermänner zu bleiben. Was ist von jenen halbblinden Grauschädeln zu sagen, die zum Spielen ihre Augen mit Gläsern bewaffnen müssen? Von denen, welchen das gerechtigkeitliebende Chiragra die Finger gelähmt hat, die Andre bestellen, in ihrem Namen die Würfel zu werfen? Ein feiner Gespaß wär es freilich, wenn nur dieses Spiel sich nicht oft in Wut verwandelte, und dann eine Sache für die Furien würde, nicht für mich. Hier aber kommen Leute meines Gelichters: Wunderdinge, täuschende Lügen, zu hören oder zu erzählen, macht ihre Freude aus. Unersättlich sind sie bei solchen Fabeleien, wenn man von Gespenstern, Poltergeistern und tausenderlei dergleichen

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