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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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(aber freilich hoch zu stehen gekommene) Mittel hielt, den Hirschen, welchen es nicht leiden konnte, von der Weide zu treiben. O wie weit glücklicher ist das Leben der Mücken und Vögel, die dem bloßen Naturtriebe folgen und nichts als die menschliche Arglist zu fürchten haben! Wenn die Vögel eingebauret, sich von Menschen im Pfeifen und Schwatzen unterrichten lassen, o wie bald ist nicht ihre natürliche Munterkeit entartet! In allwege wird das Werk der Natur durch die Schminke der Kunst geschändet.
    Alles mein Lob übersteigt jener pythagorische Hahn. Er war alles: Philosoph, Mann, Weib, König, Untertan, Fisch, Pferd, Frosch, und wie ich glaube, sogar auch Pfifferling; nach seinem Ausspruche ist der Mensch das elendeste unter allen Tieren, weil er allein (da alle übrigen mit den Schranken, darein die Natur sie gesetzt hat, herrlich zufrieden sind) sich inner seinen Grenzen nicht halten will; auch zieht er unter den Menschen einen Dummkopf dem Gelehrten und Mächtigen weit vor. Auch Gryllus war ungemein viel weiser, als der verschmitzte Ulysses, weil er lieber im Stalle grunzen, als mit diesem, ich weiß nicht, wie manches gefährliche Abenteuer aufsuchen wollte. In dieser Meinung scheint mir auch Homer gewesen zu sein, der Vater schnackichter Fabeln: oft nennt er die Menschen überhaupt arbeitselige Tropfen; und besonders betitelt er den Ulysses, den er als ein Muster eines weisen Mannes aufstellt, den Elenden und Unglücklichen; Titel, mit welchen er nie einen Paris, Ajar, Achilles, beehrt. Und warum? Weil jener Grübler sich in allem nach dem Rate der Pallas richtete, und zu weise war, sich vom Naturweg zu weit entfernend.
    Ja, unter den Sterblichen weichen keine von der Glückseligkeit weiter ab, als die, welche sich mit der Weisheit abgeben: zu Menschen sind sie geboren, die Tollköpfe vergessen aber ihres Standes; wollen gleich den unsterblichen Göttern leben; kündigen, nach dem Beispiele der Himmelstürmer, mit Wissenschaftswaffen versehen, der Natur den Krieg an. Hingegen wird wohl das Elend derer das kleinste sein, die an Gesinnung und Narrheit den Tieren am nächsten kommen, und sich an nichts wagen, das dem Menschen zu schwer sein muß. Wir wollen doch sehen, ob wir dieses nicht, ohne stoische Künstelei, in einem handgreiflichen Beispiele, an den Tag legen können. Nun (ich nehme hierüber die unsterblichen Götter zu Schiedsrichtern) kann was Glücklicheres sein, als der Zustand jener, die man Schalksnarren nennt; Stocknarren, hirnlose Krautsköpfe, oder was dergleichen Beinamen sonst sein mögen, die ich für die schönsten Ehrentitel erkenne? Ich will etwas sagen, das dem ersten Anschein nach närrisch und abgeschmackt ist, sich aber als die Wahrheit selbst anpreist.
    Meine gepriesenen Helden wissen erstlich nichts von Todesfurcht, einer Sache, die (beim Jupiter will ichs beschwören) kein kleines Übel ist. Sie wissen nichts von der Folterbande des Gewissens. Die Fabeln von Erscheinung unterirdischer Geister jagen ihnen keinen Schrecken ein. Sie fürchten sich nicht vor Gespenstern und Poltergeistern. Weder kommendes Unglück, noch zauderndes Glück, macht ihnen den Kopf toll. Kurz, tausenderlei Sorgen, denen dieses Leben bloßgesetzt ist, nagen nicht an ihrem Herzen. Scham, Scheu, Ehrsucht, Neid, Liebe machen keinen Eindruck auf sie. Selbst die Theologen werden sagen, je näher man dem Unverstande vernunftloser Tiere komme, desto weniger sündige man.
    Nun erwäg es einmal bei dir selbst, närrischer Weiser! Mit tausenderlei Geistesgrame marterst du dich Tag und Nacht; trag alle Beschwerden deines Lebens wie in einen Haufen zusammen; sieh dann, wie von manchem Übel ich meine Dummköpfe sicher gestellt habe. Immer sind sie fröhlich; spielen, singen lachen; wo sie hinkommen, teilen sie jedermann Wonne mit; alles scherzt, spielt, lacht mit ihnen. Ists nicht gerade so, als ob die huldreichen Götter sie aus keiner andern Ursache in die Welt gesetzt hätten, als um das Düstere des menschlichen Lebens aufzuhellen? Der Schwermut zum Gegengifte zu dienen? Sie (da sonst jeder nur gewisse Leute begünstigt) erwerben sich jedermanns Zuneigung; allerorten werden sie gesucht, gespeiset; man schmeichelt ihnen; eilt ihnen, wenn sie sich in Gefahr befinden, zu Hilfe; ungestraft läßt man sie alles sagen und tun, niemand trachtet ihnen zu schaden; selbst die Tiere, wie ihre Unschuld fühlend, gehen ihnen aus dem Wege. Sie sind wie den Göttern geheiligt, und besonders mir; mit Recht allso hält

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