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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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durch die Flucht entronnen; ein Anderer kam an den Galgen, durch Kraft eines die Diebe begünstigenden Heiligen zerriß der Strick, und nun fährt er im Liebeswerke fort, diejenigen zu erleichtern, welche durch zu vieles Geld beschwert sind; ein Anderer durchbrach die Mauer des Kerkers, und ist in Freiheit; ein Anderer ist, zum großen Verdrusse des Arztes, das Fieber bald losgeworden; einem Andern ward ein vergifter Trank gegeben; er verursachte aber den Tod nicht, sondern half glücklich einer Verstopfung ab; nur machts seiner guten Ehefrau wenig Freude, und sie ärgert sich über ihre vergebliche Mühe und Unkosten; ein Anderer schmiß mit dem Wagen um, ritt aber mit den Pferden gesund nach Hause; auf einen Andern fiel der Schutt einer einstürzenden Mauer, schlug ihn aber nicht tot; ein Anderer, der mit einer Frau tändelte, ward von dem Manne derselben überrascht, log sich aber durch einen listigen Einfall los. Niemand bezeigt sich dafür dankbar, daß er von der Narrheit befreiet worden.
    O meine Herren! Wenig Verstand haben ist etwas so Angenehmes, daß die Sterblichen sich ehender alles verbäten, als die Narrheit. Aber warum sollt ich mich auf das Meer des Aberglaubens hinauswagen? Wenn ich gleich hundert Zungen hätte, hundert Mäuler, eine eiserne Stimme, so würd ich doch nicht alle Gestalten der Torheit entwickeln, alle Namen der Narrheit durchlaufen können. In dem Leben der Christen ist durchgehends alles von Wahnsinn vollgepfropft; und die Herren im schwarzen Kleide begnügen sich nicht nur, es so gehen zu lassen, sondern tragen auch noch das Ihrige wacker dazu bei; wohl wissend, daß sich dabei allemal ihre Rechnung werde finden lassen.
    Ein Weiser, der mir von Herzen mißfällt, wirft sich zum ungebetenen Prediger auf und spricht so, wie die Sache an sich selbst ist: »Du wirst kein böses Ende nehmen, wenn du gut lebst; deine Sünden werden dir vergeben werden, wenn du, der du die Sache mit einem Stückchen Gelds richtig machen willst, dein getanes Böse verabscheust, weinest, wachest, betest, fastest, und dein ganzes Tun und Lassen änderst; der Heilige wird dir gewogen sein, wenn du seinem Leben nacheiferst.« O meine Herren! Wenn dieser Weise Ihnen mit dergleichen Geplauder in den Ohren liegt, bewaffnen sie sich wohl, wenn es Ihnen um Ihre Gemütsruhe zu tun ist.
    In diese Zunft gehören auch die, welche bei guter Gesundheit pünktlich verordnen, mit welchem Gepränge ihre Leiche solle bestattet werden; sie bestimmen die Zahl der Fackeln, der Leidtragenden, der Sänger, der Lohnheuler; gerad als sie selbst noch Augenzeugen dieses Schauspieles sein würden oder als ob es ein Schandflecke für den Verstorbenen wäre, wenn man seinen Leichnam nicht prächtig einscharrte; sie sind damit so beschäftigt, als ob sie, gleich den Aedilen im alten Rom, das Volk mit Schauspielen und Mahlzeiten versehen müßten.
    Ob ich gleich eile, so viel mir möglich ist, so kann ich doch jene nicht vorbeigehen, die zwar vor dem niedersten Schuhflicker nichts voraushaben, und sich doch auf den bloßen Titel des Adels ich weiß nicht was Wundergroßes einbilden. Der Eine will von dem Aeneas abstammen; der Andere von dem Brutus; und ein Dritter von dem König Arthur. Sie hängen prahlerisch allerorten geschnitzt und gemalte Bilder ihrer Ahnen auf; sie berufen sich auf derselben Namen und Beinamen, und sind selbst stummen Bildsäulen ähnlich; noch weniger wert als die Tiere, die ihren Wappen zu Schildhaltern dienen. Doch führen sie, dank sei es ihrer holden Selbstliebe, ein ganz glückliches Leben; und an eben so großen Narren fehlts nicht, die diese Art von edlen Tieren für halbe Götter ansehen.
    Warum red ich aber nur von einer oder der andern Art von Narren! Die Selbstliebe zaubert ja allerorten auf tausenderlei wunderbare Weise dergleichen recht glückliche Geschöpfe hervor. Etwann sieht man einen, mit dem die Natur es noch wohl gemeinet hätte, wenn er von ihr bloß mit einem Affengesichte wäre begabet worden, und er deucht sich schöner zu sein, als Nireus es beim Homer ist. Ein Anderer, so bald er vermittelst seines Zirkels zwo oder drei Linien ziehen kann, glaubt, daß er es mit dem Euklides aufnehmen könnte. Hier ist einer, der sich zur Musik so gut schickt, wie der Esel zur Harfe; doch glaubt er sich im Stande zu sein, mit einem Hermogenes in die Wette zu singen, ob man gleich das Gekrähe des die Hänne betretenden Hahnes musikalischer findet als sein Gekrächze.
    Lustig ists, wenn man auf das Betragen

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