Lob der Torheit
wohl recht fehlgeschossen. Dieses Schlußgeplauder wollen wir, unter dem Beistande der Musen, bald verdunstet sehen. Haben die Mückenfänger nie gelesen, wie Sokrates beim Plato zwischen Venus und Venus, und zwischen Eupido und Eupido, einen Unterschied macht? Also hätten auch sie Wahnsinn von Wahnsinn unterschieden, wenn es ihnen darum zu tun wäre, nicht selbst für wahnsinnig gehalten zu werden. Nicht jeder Wahnsinn ist etwas schädliches und schimpfliches; sonst würde Horaz nicht von einem liebenswürdigen reden; Plato hätte nicht die Wut der Dichter, der Wahrsager und der Verliebten zu dem gerechnet, das zum Wohlsein des menschlichen Lebens das meiste beiträgt; und jene Wahrsagerin beim Virgil scheut sich nicht, dem arbeitsamen Aeneas einen gewissen wahnsinnigen Fleiß zuzuschreiben.
Es gibt also zwo Arten des Wahnsinnes: die Eine kommt aus der Hölle von den grausamstrafenden Furien; sie senden etwann ihre Schlangenbrut, den wütenden Kriegsdurst, die unersättliche Goldbegierde, die verruchteste und abscheulichste Lüsternheit, Vatermord, Blutschande oder irgend eine Pest von dieser Art, in die Brust der Sterblichen, wenn sie das sich einer Verschuldung bewußte Gemüt mit ihren Schrecknissen martern wollen. Die andere Art des Wahnsinns ist von einer ganz verschiedenen Natur; sie kommt von mir, und für die Menschen könnte nichts wünschenswürdiger sein. Dieses ereignet sich, wenn ein gewisser glücklicher Irrtum des Verstandes das Gemüt von ängstlichen Sorgen befreit, und es mit vielerlei Wollust segnet. Cicero schrieb an den Atticus, er wünsche sich von den Göttern eine solche Verstandlosigkeit und würde sie als ein großes Geschenk ansehen, weil er dann bei allen seinen Verdrüßlichkeiten fühllos sein würde.
Jener Argiver befand sich dabei sehr wohl. In seinem Wahnsinne saß er ganze Tage hindurch einzig auf dem Schauplatze, lachte, klatschte Beifall, war ganz Freude, in dem Wahne, er sehe die Vorstellung eines herrlichen Schauspiels; und es war doch alles nichts an der Sache; alle übrigen Lebenspflichten befolgt er auf das beste; »fröhlich war er bei seinen Freunden, die ihn liebten; artig betrug er sich gegen seine Frau; seinen Knechten konnt er durch die Finger sehen, und er überließ sich dem Zorne nicht, wenn gleich einer derselben sich an einer Flasche vergriffen hatte.« Seine Anverwandten veranstalteten es, daß seine Krankheit durch dienliche Arzeneimittel gehoben ward. Da er wieder ganz zu sich selbst gekommen war, hudelte er seine Freunde also aus: »Beim Henker! Ihr, meine Freunde, habt mich umgebracht; habt mir nicht geholfen; mich meines Vergnügens beraubt; mich mit Gewalt dem mich beglückenden Irrtum entzogen.« Er hatte recht; sie schossen fehl und waren der Nießwurze mehr als er benötigt; sie, die auf den unglücklichen Einfall geraten, einen so glücklichen und erfreulichen Wahnsinn, als ob er eine Krankheit gewesen wäre, durch Ausführungsmittel abzutreiben.
Ich habe es noch nicht entschieden, ob man durch den Irrtum der Sinne, oder den Irrtum des Verstandes, zum Wahnsinnigen werde. Wenn ein Blödsichtiger ein Maultier für einen Esel ansieht, oder jemand ein armseliges Gereime als ein gelehrtes Gedicht bewundert, so muß man ihn nicht sogleich für wahnsinnig halten. Wenn aber jemand sich nicht nur durch die Sinne, sondern auch die Einbildungskraft, täuschen läßt und zwar auf eine ganz ungewöhnliche Weise und immer, so muß man ihn für einen Nachbar des Wahnsinns erkennen; wie wenn er so oft er einen Esel schreien hört, sich einbildet, er höre vortreffliche Sänger; oder wenn er, ein blutarmer Schlucker, sich in den Kopf gesetzt hat, er sei der lydische König Erosus. Wenn diese Art von Narrheit (und bald allemal tut sie es) einen Hang zur Wollust hat, so zeugt sie kein geringes Vergnügen; so wohl bei denen, die damit behaftet sind, als auch bei denen, die ihn bemerken, und doch damit nicht angesteckt sind. Und diese Art von Wahnsinne erstreckt sich weiter, als man gemeiniglich dafür hält. Auch lacht ein Wahnsinniger über den Andern, und jeder teilt dem Andern etwas von seiner Wonne mit. Nicht selten lacht der größere Narr weit heftiger über den kleinern, als dieser über jenen.
Hören Sie, meine Herren, hierüber den Ausspruch der Narrheit: Auf wie mehrere Arten des Wahnsinns der Mensch verfällt, um so viel glücklicher ist er; wenn er dabei nur in dem von mir bezeichneten Gleise bleibt. Doch hat man sich hierüber um so viel weniger zu
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