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Locke greift an

Locke greift an

Titel: Locke greift an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulli Potofski
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Heiko Erde nahm den Ball mit dem Kopf und gewann das Duell gegen einen türkischen Innenverteidiger. Er legte ab, genau auf den rechten Fuß von Patrick Schubert. Der schoss sofort aus etwa über zwanzig Metern Entfernung. Ein mächtiger Schuss. Volley abgefeuert. Das Ding zischte
halbhoch auf die rechte Torecke der Türkei zu. Der Torhüter, ein langer Schlacks, konnte mit einer Faust den Knaller abwehren. Ein Raunen ging durch das Olympiastadion.
    Daheim in Gelsenkirchen hatte das zur Folge, dass Pfarrer Kelter die Weinflasche vom Tisch boxte, Herr Schubert die Scherben zusammensammelte und Lockes Mutter eine neue Flasche öffnete. Poldi schnupperte am verschütteten Wein und Evas Vater lächelte süffisant.
    Nach weiteren wenigen Minuten schwärmte der Fernsehreporter schon von einem sehr guten Spiel, und mit sich überschlagender Stimme kommentierte er: »Jetzt kommt die Türkei erstmals über die rechte Seite in die deutsche Hälfte. Erdal Kesici führt das Leder und flankt jetzt aus vollem Lauf. Matz, der Stürmer von Schalke 04 und seit gut einem Jahr für die Türkei in der Vorbereitung auf diese EM, nimmt den Ball auf. Er flankt direkt mit dem Kopf, steht etwa elf Meter vor dem Tor von Kevin Rott. Der deutsche Schlussmann hat wenig Mühe mit dem unplatzierten Kopfball. Aber sofort kommen wieder die Anfeuerungsrufe der vielen tausend Fans der türkischen U15.«
    Die Fernsehregie reagierte und zeigte den roten Fanblock groß auf dem Bildschirm.
    Die nächste gefährliche Aktion ging wieder von der deutschen Mannschaft aus. Erik Stössken spielte einen Doppelpass mit Heiko Erde. Heiko lief ganz allein auf das türkische Tor zu. Der Keeper verließ sein Gehäuse. Heiko lupfte den Ball gekonnt über den Torwart - aber leider auch knapp über das Tor.
    Die deutschen Fans stöhnten. Stettler stand am Spielfeldrand und klatschte zufrieden in die Hände. Für ihn lief es erst mal nicht so schlecht. In den nun folgenden fünfzehn Minuten kehrte etwas Ruhe in das Spiel ein. Der Reporter im Fernsehen erklärte: »Beide Mannschaften neutralisieren
sich in dieser Phase der Begegnung. Keiner macht einen Fehler, deshalb passiert momentan nicht viel auf dem Platz. Für Taktikliebhaber ist es aber ein tolles Spiel. Wirklich alle Akteure halten ihre Positionen perfekt.«
    Nach fünfundvierzig Minuten stand es immer noch 0:0 und es ging in die Pause.
    In der Kabine lobte Stettler seine Mannschaft ausdrücklich. »Meine Herren, das gefällt mir gut, wie ihr das hier macht. Wir brauchen Geduld. Wahrscheinlich wird dieses Spiel entschieden durch einen Fehler. Versuchen wir doch einfach, die Türken zu diesem Fehler zu zwingen. Locke, du musst noch einen Tick weiter vorne stehen. Okay?« Patrick nickte.

    Die zweite Hälfte begann mit einem Sturmlauf der deutschen Mannschaft. Die Türkei stand fast ausschließlich in der eigenen Hälfte und schlug den Ball nur noch nach hinten. Geordnet war der Spielaufbau der ganz in Rot spielenden Mannschaft nicht mehr. Es schien nur noch eine Frage der Zeit bis zum 1:0 der deutschen Mannschaft zu sein. Die bislang so lauten Fans der Türkei waren ganz ruhig geworden. Heiko Erde schoss in der siebzigsten Minute aus einiger Entfernung an die Latte. Das gesamte deutsche Team hatte schon die Hände in die Luft gerissen. Der Querbalken verhinderte aber die Führung.
    In Gelsenkirchen wäre bei dieser Situation fast der Tisch der Familie Schubert in alle Einzelteile zerlegt worden, denn Lockes Papa trommelte mit den Fäusten auf das Schmuckstück. Evas Eltern sahen sich etwas betroffen an. Poldi bellte wie wild und Eva konnte auch nicht mehr ruhig auf ihrem Sessel sitzen. Sie tigerte vor dem Fernseher hin und her, als ob sie selbst gleich den Ball spielen wollte.
    Auf dem Spielfeld waren sich Locke und Matz bislang
nicht begegnet. Ihre vorgegebenen Positionen verhinderten das bisher. Die achtzigste Minute war angebrochen und der Schiedsrichter aus Österreich pfiff Freistoß für Deutschland. Erik Stössken war von einem türkischen Abwehrspieler außerhalb des Strafraumes gefoult worden. Die Torentfernung betrug knapp zwanzig Meter. Locke legte sich den Ball zurecht.
    Herr Schubert vor dem Fernseher schrie: »Hau ihn rein! Du kannst das, Locke!«
    Die Mauer der Türken formierte sich. Der Schlussmann gab seiner Abwehr aufgeregt mit den Fingern Hinweise, wie man sich zu postieren hatte.
    Der Kommentator im Fernsehen witterte die Chance zum 1:0. »Das wäre jetzt, zehn Minuten vor Schluss«, ratterte

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