Lockende Kuesse
seiner nun gewissenhaft annahmen, machten Scherze und ließen ihn ihre scharfen Zungen spüren, wenn seine Forderungen jedes Maß überstiegen. Selbst Barbara lernte, ihm zu widersprechen. Diese Behandlung trug sehr zu seiner raschen Genesung bei. Hätten sie nur flüsternd gesprochen und wären bei jedem Wimpernzucken geflitzt, hätte er gefürchtet, dass ihm der Tod unmittelbar bevorstand. Patrick sahen sie in dieser Zeit kein einziges Mal. Er schlief zwar in Rufweite seines Vaters, kam aber jeden Abend so spät heim und verließ das Haus morgens so früh, dass keiner ihn zu Gesicht bekam. Sobald er sicher war, dass sein Vater sich wieder ganz erholen würde, stürzte er sich mit Feuereifer in seine Geschäfte.
Jeffrey Linton suchte ihn besorgt auf, um zu erfahren, ob die Heiratspläne geändert werden müssten. Als er zu seiner Erleichterung von Patrick erfuhr, dass die Hochzeit wie geplant stattfinden könne, lud er ihn sogleich für den Abend in seinen Club in der St. James Street ein.
»Ich dachte, man brauchte einen Adelstitel, um die geheiligten Hallen von White's betreten zu dürfen.«
»Um ein Mitglied zu werden, vielleicht, aber du würdest ja als mein Gast kommen«, sagte Jeffrey.
»Hat nicht Beau Brummell, als er in den Manchester eingeladen wurde, gesagt: >Gentlemen gehen nicht in den Manchester? Genauso kann ich sagen: Fabrikbesitzer gehen nicht in den White's.«
»Jetzt komm schon, Patrick; erst letzte Woche hast du zu mir gesagt, dass die Ideen der Regency tot sind. Du hast doch nicht etwa Angst vor ein paar gerümpften Nasen?«, erkundigte sich Jeffrey höflich.
»Angst? Ich? Du machst Witze! Ich hole dich um neun ab.«
Sie betraten einen Raum, in dem Karten gespielt wurde, und zu Jeffrey Lintons großer Überraschung wurde Patrick herzlich von Sir Charles Drago begrüßt. »Patrick! Mein Gott, schön dich zu sehen. Hab gar nicht bemerkt, wie sehr mir London abging, bevor ich ein paar vertraute Gesichter sah.«
Patrick klatschte Charles auf den Rücken. »Was war's denn gleich? Martinique, nicht wahr? Ist deine Amtszeit als Gouverneur also endlich vorüber?«
»Martinique ist nach den napoleonischen Kriegen wieder an Frankreich zurückgefallen, mein Junge. Es ist St. Kitt's. Ich habe noch drei Jahre, aber meine Gesundheit lässt seit einiger Zeit zu wünschen übrig, also bin ich für ein paar Wochen hierher gekommen. Diese verdammten Tropen saugen einem Mann den Lebenssaft aus.«
»Entschuldige, Jeffrey, das ist Sir Charles Drago. Bin mit seinem jüngeren Bruder Kevin zur Schule gegangen. Charles, dies ist der Viscount Linton, mein künftiger Schwager.«
»Also kommt Julia dies Jahr aus dem Schaufenster, hm? Könnte selbst eine Frau gebrauchen, die sich auf meine alten Tage ein wenig um mich kümmert. Hast du nicht noch eine Schwester?« Er zwinkerte Patrick zu.
»Die ist erst dreizehn, fürchte ich. Aber frag mich in drei Jahren noch mal, wenn du von den Inseln zurückkommst«, erwiderte Patrick lachend. Dann wandte er sich Jeffrey zu. »Schau nicht so erstaunt, dass jemand wie ich jemanden wie ihn kennt. Wir sind beide Iren und wir stammen beide aus dem Norden. Sein Vater ist der Herzog von Manchester.«
Charles Drago war ungefähr neununddreißig. Er war ein kräftiger, untersetzter Mann, in dessen dunklem, welligem Haar sich bereits die ersten Silberfäden zeigten. Er war durchaus attraktiv, obwohl sein Gesicht immer recht rot wirkte. Die tropische Sonne hatte ihn nie bräunen können, sondern ihn immer nur verbrannt, bis sich die Haut abschälte; das hatte sich so oft wiederholt, dass sein Teint nun Ähnlichkeit mit einem gekochten Krebs besaß. Unter all den Bleichgesichtern des englischen Adels, deren Teint mehr dem von Austern glich, fiel er natürlich auf wie ein Paradiesvogel unter Krähen, fand Patrick insgeheim.
Charles sagte zu Jeffrey: »Dieser junge Mann versteht sich aufs Geldverdienen. Ich kann im Moment zirka dreißigtausend Pfund lockermachen. Wie sieht's aus, Patrick, hast du eine Idee, was ich damit machen könnte? Du hast doch sicher was am Kochen, darauf würde ich wetten.«
Patrick erwiderte: »Nun, ich habe eine Teilhaberschaft an Stowils Wines erworben, und Jeffrey wird für mich eine neue Sorte einführen. Und die Weinberge, von denen dieser Wein stammt, liegen in St. Emilion, genauer gesagt beim Chäteau Monlabert, und das ist samt Weingründen für ungefähr hunderttausend Pfund zu verkaufen. Wenn wir drei jeder den gleichen Anteil beisteuern, könnte
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