Lockende Kuesse
Krankenschwester, ich nehme Kitty, danke bestens. Wir kommen prima miteinander aus«, sagte Jonathan fest.
»Dann schicke ich ihren Bruder mit euch, aber ich habe Zweifel, was eine so lange Kutschfahrt betrifft. Es dauert mindestens achtundzwanzig Stunden von London bis Bolton, und selbst wenn man eine Übernachtung in Leicester einplant, macht das noch zwei Vierzehn-Stunden-Tage in der holprigen Kutsche. Ich denke, du solltest mit dem Zug fahren. Diese neuen Lokomotiven verkürzen die Reisezeit um die Hälfte. Wenn ich einen Wagon im Frühzug für dich reserviere, könntest du noch am selben Abend in Bolton sein. Nun, was sagst du dazu?«
Jonathan strich sich nachdenklich übers Kinn. »Na ja, ich würde nicht Nein sagen.« Er versuchte sich seine Aufregung beim Gedanken, diese neue Reisemethode auszuprobieren, nicht anmerken zu lassen.
»Gut, ich besorge die Fahrscheine. Wann möchtest du abreisen?«, erkundigte sich Patrick.
»Morgen«, antwortete Jonathan ohne Zögern.
Später in der Nacht drehten sich Patricks Gedanken nur um Kitty. Er hatte sich in all den Tagen von ihr fern gehalten, denn mit dieser rassigen Schönheit unter einem Dach zu leben, raubte ihm die Ruhe, ganz zu schweigen von dem physischen
Effekt, den sie auf ihn ausübte. Sein lebhafte Fantasie quälte ihn, und er wusste, dass er ganz verrückt nach der zierlichen Schönheit war.
Ein Dutzend Male wäre er in der Nacht beinahe zu ihr ins Zimmer geschlichen. Ihre wilde Schönheit zog ihn so magisch an wie der Mond die Meere. Das eine Mal zwischen ihnen hatte lediglich seinen Appetit nach mehr geweckt, er wurde mit jeder Nacht hungriger. Er war in einem teuflischen Zustand. Natürlich hatte er versucht, seinen Hunger mit anderen Frauen zu stillen, aber schon bald musste er feststellen, dass es für sein Leiden nur eine Medizin gab - Kitty!
Vielleicht war es ja besser, wenn sie zurück in den Norden ging. Zumindest könnte er sich dann wieder auf seine Geschäfte konzentrieren. Aber es fiel ihm furchtbar schwer, sie gehen zu lassen. Er wollte sie wieder in der Half-Moon-Street haben, als sein exklusives Eigentum. Aber sie tat, als wolle sie nichts mehr mit ihm zu tun haben, und er wollte verdammt sein, wenn er sie auf Knien anbettelte!
Am anderen Ende des Hauses lag auch Kitty wach und dachte an Patrick O'Reilly. Trotz seiner Schändlichkeit war er der einzige Mann, den sie je begehren würde. Wenn er sie bäte, ihn zu heiraten, würde sie ohne zu überlegen Ja sagen, aber wie ihre Chancen dafür standen, wusste sie ja. Er wollte sie nur als Betthäschen und sie war unendlich froh, dass sie nach Bolton abreiste, bevor sie der Versuchung nachgeben konnte.
Ärgerlich wischte sie eine Träne fort, bevor sie aus ihrem Auge kullern konnte. Dann schlang sie die Arme um ihre schmerzenden Brüste. Mit einem Seufzen überließ sie sich ihren Träumen, die sie hoffentlich in Patricks wartende Arme führen würden.
Kitty stand ziemlich nervös auf der Zugplattform; sie fürchtete sich vor dem riesigen, eisernen Monster, das schmutzige Rauchwolken, Asche und Glutbrocken ausspieh. Der Lärm war ohrenbetäubend, und es herrschte ein einziges Chaos, während Gepäck eingeladen wurde und Passagiere aufgescheucht herumliefen. Kitty hatte eine Decke über dem Arm, die sich Mr. O'Reilly während der Fahrt über die Beine legen sollte, und einen Proviantkorb in der anderen Hand. Auf einmal flog ihr ein Stückchen glühende Asche in die Augen, und sie schrie auf und versuchte, sie aus dem Auge zu reiben.
»Lass das«, befahl Patrick. Er nahm ein weißes Taschentuch heraus, hob ungefragt ihr Gesicht zu sich auf und entfernte den Fremdkörper. Kitty begann sofort zu zittern, als er sie berührte. Sie errötete und senkte den Blick, als er ihr tief in die Augen sah. »Sieh mich an«, befahl er. Ihre Wimpern flatterten, dann blickte sie auf. Leise fragte er: »Vergibst du mir?«
Sie biss sich auf die Unterlippe, weil ihr die Worte im Hals stecken blieben. Dann schüttelte sie energisch den Kopf. »Dann zur Hölle mit dir!«, sagte er wild.
Bald hatten sie die schmutzigen Häuser hinter sich gelassen und fuhren durch eine grüne Hügellandschaft mit weiten Feldern voll reifen, goldenen Weizens, durchsetzt mit Tupfern roten Klatschmohns. Die Bauern brachten das Heu ein, und alles wirkte so friedlich auf Kitty, dass sie in eine Art Tagtraum verfiel. Eigentlich hatte sie den Lärm und die Aufregung der großen Stadt London nicht so schnell wieder
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