Lockende Kuesse
rief: »Terry!«
»Woher zum Teufel wusstest du, wo ich war?«, fragte Patrick barsch.
»Sie wissen ja, dass ich versuche, ein Auge auf Kitty zu haben, und ich wusste, dass Sie sie heute hierher bringen wollten.«
»Terry, du bist meinetwegen gekommen!«, rief sie dankbar aus.
Er senkte den Blick, um die Blöße seiner Schwester nicht sehen zu müssen. »Nein, ich bin nicht deinetwegen gekommen. Ich komme wegen Patrick. Ihr Vater ist krank. Der Doktor meint, es wäre ein Schlaganfall.«
Anklagend sagte Kitty: »Du wusstest, was mit mir geschehen würde und hast doch zugelassen, dass er mich hierher bringt.«
»Immer noch besser, als sein Leben lang Dienstmagd zu sein, oder?«, fuhr Terry auf.
»Nein, es ist genau das Gleiche! Ich bin wie eine Dienstmagd, die den Wünschen ihres Herrn gehorchen muss, bloß dass ich mit schönen Kleidern bezahlt werde, anstatt mit einem Lohn.« Sie sah ihr Kleid unter dem Bett hervorblitzen. Dort also hatte Mrs. Harris es versteckt. Patrick war schon fast angezogen, also bettelte sie: »Wartet auf mich. Ich komme mit. Mr. O'Reilly braucht mich vielleicht.«
»Kitty, ich brauche dich auch. Bitte bleib hier. Ich gehe zu Vater.«
»Ich hasse dich! Ich werde dich immer hassen für das, was du mir angetan hast. Ich halte es keine Sekunde länger hier aus.«
Terry blickte Patrick zornig an und sagte: »Mussten Sie so brutal sein?«
»Ja, verdammt noch mal, sie ist ja die reinste Wildkatze. Möchtest du die Bissspuren sehen, die sie auf meiner frischen Wunde hinterlassen hat? Wenn sie ein Messer in die Finger gekriegt hätte, hätte sie mir eher die Eingeweide rausgeschnitten, als sich mir hinzugeben!«
Kitty fauchte Terry zu: »Du solltest ihn für mich umbringen!«
Terry musterte sie mit der beißenden Arroganz des Zigeunermannes und sagte: »Du hast seine Männlichkeit herausgefordert - er musste dir seinen Willen aufzwingen.«
Patrick fragte ihn: »Hast du die Kutsche dabei? Gut! Ich werde fahren; du setzt dich mit Kitty nach hinten.«
Im dunklen Innern der Kutsche wurde Kitty zum ersten Mal in ihrem Leben klar, dass Mann und Frau im Grunde natürliche Feinde waren. Sie wusste ohne jeden Zweifel, dass Patrick in einer körperlichen Konfrontation immer die Oberhand behalten würde, also mussten ihre Waffen subtiler und raffinierter sein.
Bei der Ankunft am Cadogen Square überließ Patrick es Terry, die Kutsche und die Pferde im Stall unterzubringen. Patrick versuchte, Kitty aus der Kutsche zu helfen, doch sie rauschte an seiner ausgestreckten Hand vorbei in den hell erleuchteten Salon.
»Wo bist du gewesen?«, fragte Julia ungehalten und beäugte das hereinkommende Pärchen abschätzend.
Kittys gelbes Organzakleid war bei der eiligen Kutschfahrt ganz zerknittert worden, doch sie kümmerte sich nicht darum und fragte: »Kann ich irgendwas für Mr. O'Reilly tun?«
»Der Doktor ist noch bei ihm; solange er uns nichts gesagt hat, können wir auch nichts machen. Geh und mach uns einen Tee, Kitty, das dürfte uns allen gut tun«, befahl Julia. Barbara saß rotäugig und unglücklich in einer Ecke. Patrick sagte rasch: »Nein, Kitty kann gehen und einen Bediensteten bitten, den Tee zu machen, sie ist jetzt nicht länger als Dienstmädchen hier. Sie kann bei Vaters Pflege mithelfen, aber das ist auch schon alles.«
Kitty ging und fand einen Lakaien, bei dem sie den Tee bestellte. Sie war Patrick dankbar, hasste sich aber gleichzeitig dafür, dass sie Dankbarkeit empfand.
Sobald sie außer Hörweite war, sagte Julia: »Nun, nun! Weißt du denn nicht, dass man seine Mätresse nicht mit nach Hause bringt?«
Patrick musterte sie einen Moment lang mit einem eiskalten Blick und Julia, die erbleichte, merkte, dass sie zu weit gegangen war.
Ruhig sagte er: »Kitty hat sich geweigert, meine Mätresse zu werden. Also hältst du ihr gegenüber besser deine Zunge im Zaum, Miss. Und jetzt sei so gut und erzähle mir, was mit Vater geschehen ist.«
»Nun ja, es fing eigentlich alles heute Vormittag an. Vater ist in einen heftigen Streit mit zwei Lieferanten geraten, die Wein brachten. Irgendwie waren sechsundneunzig Flaschen zerbrochen worden, und Vater bestand darauf, dass sie sie auf eigene Kosten ersetzten. Das Gebrüll dauerte stundenlang. Der ganze Haushalt stand Kopf. Um die Mittagszeit hatte er sich noch immer nicht beruhigt. Die Männer waren längst gegangen, aber nun wetterte er vor Barbara und mir als Publikum weiter. Ich schwör dir, er hat jedes Thema durchgekaut, von der
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