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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Dank für deinen Rat. Du meinst es gewiss gut mit mir …“ Julianna stockte, als Vanessa ihr plötzlich eine in Goldfiligran eingerahmte Miniatur hinhielt, die sie aus einer Tasche ihres faltenreichen Rockes gezogen hatte. Das kleine Mädchen auf dem Bilde glich Julianna in ihren Kinderjahren und musste Vanessas verstorbenes Töchterchen sein.
    „Seht ihr nicht wie Schwestern aus?“, murmelte Vanessa. „Und ihr habt mehr Gemeinsamkeiten als die braunroten Locken und die großen Rehaugen. Auch ihr Herz konnte von Kleinigkeiten hingerissen oder in tiefe Betrübnis gestürzt werden. Jedes Mal, wenn ich dich ansah, stiegen die lange verdrängten Erinnerungen an mein Kind schmerzhaft in mir auf.“
    Die ungewohnte Rauheit in Vanessas Stimme ließ Julianna von der Betrachtung der Miniatur aufblicken. Der Anblick, der sich ihr darbot, war gänzlich unerwartet und berührte sie tief. Dicke Tränen quollen unter Vanessas Lidern hervor und rollten langsam über die gepuderten Wangen. Auf einmal wirkte ihr Antlitz nicht mehr wie ein lebloses Kunstwerk, und dennoch hoben die Linien, die der tiefe, reine Schmerz hineinzeichnete, seine Schönheit noch deutlicher hervor.
    Angesichts dieses Kummers kam sich Julianna wie ein Eindringling vor. Zaghaft streckte sie die Hand aus und strich sacht über Vanessas Arm.
    Vanessa hob die Lider. Ihr Blick wirkte unbestimmt, nach innen gerichtet, und ihre Stimme klang fremd, tiefer, nicht mehr auf Wirkung bedacht. „Als Langston Carew begann, dein Loblied zu singen, dachte ich, es werde ein leichtes sein, dich zu hassen – so jung und so liebreizend. Aber als ich dich dann sah, traf mich die Ähnlichkeit mit meiner Tochter mehr als eine absichtliche Beleidigung.“
    Julianna nickte. „Und deshalb hast du zurückgeschlagen?“
    „Ja, aber du hast leider die verteufelte Fähigkeit, Zuneigung einzuflößen.“ Vanessa lächelte bedauernd und wischte sich ungeduldig die Tränenspuren von den Wangen. „Meine Augen werden morgen rot und verschwollen aussehen“, sagte sie ärgerlich, „und du wirst deinem eigenen Geist gleichen, wenn du jetzt nicht zu Bett gehst und schläfst.“
    „Wie kann ich denn schlafen, wenn ich nicht weiß, was ich tun soll?“
    Vanessa erhob sich, neigte sich zu Julianna hinab und küsste ihre Stirn. Ihre noch feuchten Augen glänzten wie Smaragde. „Ich denke, wir wissen beide sehr genau, was wir tun sollten, meine Liebe.“ Einen Augenblick lang sah sie nachdenklich vor sich hin und fuhr dann imFlüsterton fort: „Es fragt sich nur, ob wir auch den Mut dafür finden.“

27. KAPITEL
    „Soll ich die Frage noch einmal wiederholen, Lady Fitzhugh?“
    „Wie bitte?“ Verwirrt stellte Julianna fest, dass sie den Dekan der Kathedrale von St. Paul geistesabwesend angestarrt hatte, während ihre Gedanken meilenweit entfernt waren. Weder der starke Weinbrand noch das Gespräch mit Vanessa hatten ihr zu Schlaf verholfen, und so fühlte sie sich jetzt wie betäubt und wusste einen Augenblick lang nicht mehr, wo sie sich befand.
    „Ihr habt dem Gerichtshof mitgeteilt, dass Euch Euer Stiefbruder zu dieser Ehe überredet hat.“ In den Worten des Dekans schwang deutlich Ungeduld mit.
    Daran konnte sich Julianna glücklicherweise erinnern, und so nickte sie eifrig.
    „Ich habe bereits gefragt und frage nun noch einmal: Wart Ihr und Sir Edmund zu irgendeiner Zeit nach der Eheschließung … eh … intim miteinander?“
    Julianna öffnete den Mund, ohne einen Laut hervorzubringen. Sie hatte das Gefühl, unmittelbar vor einem Abgrund zu stehen und zum ersten Male hinunterzusehen. Stimmen schwirrten durch ihren Sinn.
    „… wenn du meinem Neffen eine liebende und treue Frau wirst …“
    „… der schönste Tag meines Lebens, als du meinen Antrag annahmst …“
    „… Crispin nicht glücklich machen, wenn du dich so elend fühlst …“
    „… es ist nie zu spät für die Liebe …“
    „… und was willst du …?“
    Wieder spürte Julianna den Blick aus den wasserblauen Augen des Dekans auf sich gerichtet, und noch ehe dieser zum dritten Male fragen konnte, stieß sie hastig hervor: „Ja.“
    „Lady Fitzhugh.“ Der Dekan bemühte sich, besonders langsam zu sprechen. Man hatte den Eindruck, als wolle er der Liste für die Gründe einer Annullierung noch einen weiteren hinzufügen: geistig minderbemittelt. „Vielleicht habt Ihr mich missverstanden. Meine Frage war: Habt Ihr und Sir Edmund …“
    „Ich habe Eure Frage gehört, Sir.“ Ein Gefühl unbändiger,

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