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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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eine winzige wilde Lilie, gepresst und getrocknet, zweifellos Juliannas Arbeit. Mit dem verblassenden Dufthauch der kleinen Blume erwachten seine Erinnerungen an den zauberhaften Sommer in Abbot’s Leigh. Mechanisch hob er die Pfeife an die Lippen. Doch als ihm dabei einfiel, wie enttäuscht Julianna wäre, wenn sie wüsste, dass er wieder zu rauchen begonnen hatte, klopfte er den Tabak aus der Pfeife und legte sie zur Seite.
    Das einzige Glück dieser Tage lag für ihn in dem Gedenken an Julianna, denn Shakespeare hatte ihn gelehrt, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Anstatt in Trauer darüber zu versinken, dass er Julianna nicht haben konnte, musste er der Vorsehung dankbar sein für die herrliche Zeit, die sie miteinander verbringen durften … und er sollte sich an ihrem Glück mit Crispin erfreuen …
    Ein vorsichtiges, beinahe ängstliches Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.
    „Komm herein, Brock!“, rief er. „Du brauchst dich nicht in der Halle herumzudrücken.“
    Als Mordecai Brock die Bibliothek betrat, rümpfte er misstrauisch schnuppernd die Nase.
    „Nun?“ Edmund blickte seinen Haushofmeister erwartungsvoll an, denn es musste mindestens eine welterschütternde Katastrophe sein, die den Alten dazu gebracht hatte, in sein Heiligtum einzudringen.
    „Besuch für Euch, Sir. Ich habe ihm zwar gesagt, dass Ihr nicht gestört zu werden wünscht, aber …“
    „Aber“, fuhr Langston Carew fort, während er eilig ins Zimmer watschelte, „ich habe ihm meinerseits gesagt, dass ich heute ein Nein als Antwort nicht verstehe.“
    „Komm nur, Langston. Ich freue mich, dich zu sehen.“ Edmund wies auf einen Stuhl neben sich. „Ich hätte dir den Eintritt ohnehin nicht verwehrt, denn du bringst immer frischen Wind mit. Apropos frischer Wind – es ist ziemlich rauchig hier drin. Würdest du wohl das Fenster öffnen, Brock, und dabei gütigst davon Abstand nehmen, mich daran zu erinnern, dass du das schon vor zwei Stunden tun wolltest und ich dir zu dieser Zeit noch beinahe den Kopf deswegen abgerissen hätte.“
    Carew kletterte auf den Stuhl und ließ die Beine baumeln. „Deine Laune könnte etwas besser sein, nicht wahr?“
    „Leider ja“, räumte Edmund seufzend ein. „Aber das wird sich auch wieder ändern. Was führt dich denn schon um diese Stunde zu mir?“
    „Aufregende Neuigkeiten, alter Freund. Es findet eine Nachwahl für das Parlament statt, und einer der freien Plätze kommt doch tatsächlich aus deinem Heimatbezirk Surrey-Mitte. Du bist also schon so gut wie gewählt, Mann.“

    „Das könnte in der Tat eine erfreuliche Nachricht sein“, erwiderte Edmund mit einem bedauernden Lächeln. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Whigs noch an meiner Kandidatur interessiert sind.“ Er wies auf einen Zeitungsstapel neben sich auf dem Boden. „Seit der Spectator diese possenhafte Geschichte von meiner Ehe mit Julianna veröffentlicht hat, bin ich zu einer lächerlichen Figur geworden, gelinde gesagt, und auf jeden Fall kaum mehr geeignet, eine Wahl zu gewinnen.“
    „Papperlapapp.“ Carew nahm mit spitzen Fingern die neueste Ausgabe des Gentleman’s Magazin von einem Beistelltischchen. „Du unterliegst der Missdeutung, dass diese Angelegenheit in der Öffentlichkeit schlecht ankommt, mein Freund. So lass dir denn sagen, dass die Zeitungen heutzutage so wildentschlossene Parteigänger sind, dass Schmähungen in der einen gleichbedeutend sind mit einer Heiligsprechung in der anderen. Hast du nicht den Artikel von Johnson gelesen? Seine Lobpreisung ist schon fast ekelhaft. Du könntest kaum einen eloquenteren Mitstreiter finden. Vielleicht solltest du ihn für die Verfassung deiner Wahlreden engagieren.“
    Edmund dachte einen Augenblick lang nach. Auf jede großzügige, hochherzige Seele wie den Schriftsteller Samuel Johnson würde ein Dutzend Jerome Skeldons kommen, die sich höhnisch fragten, wie man den Ehegemahl der begehrenswertesten Frau in London habe spielen können, ohne Manns genug zu sein, sie wirklich zu besitzen. Sein Stolz könnte das nicht ertragen.
    „Ich muss dich enttäuschen, Langston, aber es kommt nicht infrage.“
    „Nun, überlege es dir. Du weißt, dass du viel Gutes tun könntest.“ Carew zuckte die Schulter. „Nicht dass ich persönlich für solchen idealistischen Unfug viel übrig habe.“
    In diesem Moment bauschte eine frische Brise vom Hyde Park her die Vorhänge. Edmund erhob sich und trat ans Fenster. Wieder erwärmte ein neuer

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