Lockende Zaertlichkeit
wieder sehen kann?" gab Simon zu bedenken. "Augenheilkunde ist nicht mein Fachgebiet. Kurz nach der Operation waren die Nerven noch zu gereizt, als dass man eine sichere Prognose stellen konnte. Aber jetzt ist die Zeit dafür gekommen. Wollen Sie Marcus die Chance nehmen, sein Augenlicht wiederzuerlangen?"
Olivia schüttelte den Kopf. "Natürlich nicht. Aber ich will auch nicht diejenige sein, die ihm noch mehr Leid zufügt, als er ohnehin schon ertragen muss."
"Fitzgerald könnte ihn operieren."
Olivia hatte schon viel von dem berühmten
Augenspezialisten gehört, und sie wusste, wenn jemand Marcus helfen konnte, dann war es dieser Mann. "Marcus ist sowieso nicht gut auf mich zu sprechen", wandte sie dennoch ein. "Wenn ich ihm diesen Vorschlag unterbreite, wird er mich aus dem Haus werfen."
"Denken Sie darüber nach, Olivia. Sie haben bis Donnerstagabend Zeit, es ihm beizubringen. Wenn Sie bis dahin nicht mit Marcus gesprochen haben, werde ich es tun. Aber Sie sollten es wenigstens versuchen." Simon drückte ihr ermutigend die Hand. "Aber jetzt lassen Sie uns von etwas anderem reden."
Er lächelte schalkhaft. "Ein sehr interessantes Thema wäre zum Beispiel Simon Brooks."
Da musste Olivia lachen, und sie unterhielten sich eine ganze Stunde über ihre Arbeit und vieles mehr. Je länger Olivia mit Simon zusammen war, desto sympathischer fand sie ihn. Er besaß viel Sinn für Humor und war ausgesprochen charmant.
Marcus brachte er sehr viel Respekt entgegen und bewunderte ihn als
Arzt wie auch als Menschen.
,
"Der Höhepunkt meiner Karriere bestand darin, Marcus'
Assistent zu werden", gab Simon lächelnd zu. "Es ist eine Ehre für mich, mit ihm zu arbeiten."
"Und wer vertritt ihn jetzt?" erkundigte Olivia sich.
"Ich. Aber ehrlich gesagt wäre ich froh, wenn Marcus bald wieder da wäre."
"Und falls nicht?"
"Darüber möchte ich lieber nicht nachdenken. Es reicht, wenn Marcus so pessimistisch ist." Simon lächelte erneut. "Sie glauben gar nicht, wie froh ich bin, dass Sie sich seiner angenommen haben. Sie scheinen der einzige Mensch zu sein, der etwas bei ihm bewegen kann."
Olivia verzog das Gesicht. "Einem Patienten zu helfen, indem ich ihn zur Weißglut bringe, ist eine ziemlich unorthodoxe Methode, die sich nicht gerade positiv auf mein Ego als Krankenschwester auswirkt."
"Und als Frau?" fragte Simon sanft.
"Für Marcus bin ich keine Frau, sondern nur jemand, der ihn tagtäglich quälen will."
Da musste Simon lachen, wurde dann aber gleich wieder ernst. "Das tut mir Leid, Olivia. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer dieser Job für Sie ist."
Olivia seufzte auf. "Hauptsache, ich kann Marcus helfen." Sie blickte auf die Uhr und war überrascht, wie spät es schon geworden war. "Ich glaube, ich sollte allmählich gehen", sagte sie mit echtem Bedauern. Simon war ein netter und charmanter junger Mann, und sie hatte den Abend mit ihm sehr genossen.
"Ich möchte noch nach Marcus sehen, bevor ich schlafen gehe."
"Natürlich." Sie standen auf, und Simon half Olivia höflich in den Mantel. "Ich komme auf jeden Fall am Donnerstag vorbei, um mit Marcus zu sprechen. Vielleicht könnten wir bei der Gelegenheit noch einmal zusammen essen gehen?"
"Gern", stimmte Olivia bereitwillig zu. "Vielen Dank."
Es war kurz nach elf Uhr, als Olivia die Tür aufschloss. Im Haus war es dunkel und still, alle schienen bereits schlafen gegangen zu sein. Olivia ging leise die Treppen hoch und blieb vor Marcus' Tür stehen. In seinem Zimmer brannte noch Licht, und Olivia trat vorsichtig ein.
Marcus lag auf dem Bett und schien fest zu schlafen. Da konnte Olivia nicht der Versuchung widerstehen, an sein Bett zu treten und ihn ausgiebig zu betrachten. Wenigstens einmal wollte sie Marcus ansehen können, ohne seinen Spott und seine Verachtung zu spüren. Obwohl Olivia wusste, dass sie sich auf gefährlichem Grund befand, konnte sie der Verlockung nicht widerstehen. Während ihrer Ausbildung als Krankenschwester hatte sie gelernt, keine persönlichen Gefühle für ihre Patienten zu entwickeln, doch bei Marcus brach sie alle Regeln.
Sie strich ihm zärtlich das Haar aus der Stirn und wünschte, Marcus würde sie so sehr lieben wie sie ihn. Dabei malte sie sich aus, wie wundervoll es wäre, seine Frau zu sein - morgens unter seine Decke zu schlüpfen und ihn zu liebkosen ...
"Du kannst ruhig weitermachen, wenn du willst", sagte Marcus plötzlich, und Olivia zog erschrocken die Hand weg.
"Ich ... ich wollte nur nachsehen, ob du
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