Lockende Zaertlichkeit
sein."
Olivia rang sich ein Lächeln ab, um vor dem Mädchen zu verbergen, wie sehr der Streit mit Marcus sie mitgenommen hatte. "Das kann man wohl sagen."
"Er will sich nicht von Dr. Fitzgerald untersuchen lassen, stimmt's?"
"Nein. Er weigert sich strikt, ihn auch nur zu treffen."
Sally seufzte auf. "Das hab ich mir gedacht. Ich werde mit ihm reden."
"Ich würde lieber noch ein bisschen warten", riet Olivia. "Du solltest ihm Zeit geben, damit er darüber nachdenken kann. Mrs.
Podmore kann inzwischen Tee kochen, und wenn du ihn dann deinem Vater bringst, kannst du die Gelegenheit nutzen, um mit ihm zu sprechen."
Sally nickte lächelnd. "Du hast Recht. Vielleicht hat er sich bis dahin ja beruhigt."
Als Sally in der Küche war, rief Olivia Simon an, um ihm von ihrem erfolglosen Überzeugungsversuch zu berichten.
"Machen Sie sich keine Sorgen, Olivia", beruhigte er sie. "Ich werde heute Abend selbst mit Marcus sprechen."
"Da ist noch etwas, Simon ..." Olivia biss sich auf die Lippe.
"Marcus hat mich aufgefordert, sein Haus zu verlassen. Und ich glaube, diesmal hat er es ernst gemeint."
"Hm." Simon dachte eine Weile nach. "Ich glaube, es wäre am besten, wenn Sie ihn im Moment ganz in Ruhe lassen. Dann beruhigt er sich am schnellsten."
"Und wenn nicht? Wenn er seine Meinung doch nicht ändert?"
"Das wird er schon, da bin ich sicher. Sie sind das Beste, was Marcus passieren konnte, und ich hoffe, er ist klug genug, um das zu merken."
Da war Olivia nicht so sicher. Aber sie befolgte Simons Hat und blieb den ganzen Tag von Marcus fern. Nachdem Sally ihm am Abend seine Medikamente verabreicht hatte, erzählte sie Olivia, dass er seine Meinung leider nicht geändert habe.
Marcus weigere sich immer noch, sich von Jason Fitzgerald untersuchen zu lassen.
Simon erschien um halb acht. In dem sportlich-eleganten Anzug und dem blauen Seidenhemd sah er ungemein attraktiv aus, und Olivia entgingen Sybils skeptische Blicke nicht, als Sally ihn ins Wohnzimmer führte.
"Ich gehe am besten gleich zu Marcus", schlug Simon vor, nachdem sie einander begrüßt hatten.
Olivia lächelte ermutigend. "Ich drücke Ihnen die Daumen."
"Heute konnte ich überhaupt nicht mit Daddy reden", klagte Sally, nachdem Simon nach oben gegangen war. "Er wollte nichts von Fitzgerald hören."
"Das kann ich gut verstehen", mischte sich Sybil Carr unvermittelt ein. "Marcus weiß, dass diese Untersuchung völlig sinnlos wäre. So unnötig wie eine Krankenschwester", fügte sie mit einem verächtlichen Blick auf Olivia hinzu. "Alles, was er braucht, ist Ruhe."
"Und wozu soll Ruhe gut sein?" fragte Olivia verärgert.
"Um wieder gesund zu werden natürlich."
"Marcus braucht professionelle Hilfe, um gesund zu werden, Mrs. Carr."
Sybil musterte Olivia herablassend. "Die Hilfe, die Sie ihm geben, braucht er jedenfalls nicht."
"Aber Grandma!" rief Sally empört.
"Wenn Sie mich bitte entschuldigen, ich muss mich fertig machen", erklärte Olivia mühsam beherrscht. Noch nie war ihr von einem Menschen so viel Ablehnung und Verachtung entgegengeschlagen wie von Sybil Carr. "Ich möchte Simon nicht warten lassen."
Da verhärtete sich Sybils Gesicht noch mehr. "Sie gehen mit Dr. Brooks aus?"
"Ganz recht", antwortete Olivia kühl und verließ den Raum.
In ihrem Zimmer atmete sie tief durch. Es hatte sie all ihre Kraft gekostet, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Sybil Carr war die unausstehlichste und gemeinste Person, die Olivia je begegnet war. Sybils spitze Andeutungen und ständige Beleidigungen machten diesen ohnehin schon schwierigen Job schier unerträglich. Wäre Olivia nicht fest davon überzeugt gewesen, dass sie Marcus helfen konnte, hätte sie dieses Haus schon längst verlassen. Aber das würde sie vielleicht ohnehin tun müssen. Wenn Marcus bei seiner Entscheidung blieb, konnte Olivia nicht gegen seinen Willen bleiben.
Sie war fertig, als Simon eine halbe Stunde später zurück ins Wohnzimmer kam. Als er Olivia in ihrem auf Figur
geschnittenen smaragdgrünen Kleid sah, verschwand die Anspannung aus seinem Gesicht, und er lächelte warm. "Sie sehen umwerfend aus, Olivia."
"Danke." Olivia war überrascht, als Simon plötzlich den Kopf neigte und sie zart auf den Mund küsste, doch sie erwiderte gern den freundschaftlichen Kuss.
"Olivia, hast du ... oh!" Sally blieb im Türbogen stehen und errötete leicht. "Ich ... ich wollte nicht stören."
"Das tust du ganz bestimmt nicht", versicherte Simon lächelnd. "Bei all den Sorgen um
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