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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Wolf hat das instinktive Bedürfnis, alles, was er weiß, an seinen Sohn weiterzugeben. Ich war ganz einfach nicht der entsprechende Sohn. Er hat versucht, seine Bemühungen auf Clay zu verlagern, aber …« – wieder ein Achselzucken – »… das hat sich auch nicht bewährt.«
    »Dein Vater und Clay?«
    »Zunächst wollte Malcolm mit ihm nichts zu tun haben. Aber als Clay älter wurde, hat mein Vater seine starke wölfische Seite dahingehend interpretiert …« Er unterbrach sich, als suche er nach dem passenden Wort.
    »Als einen gewalttätigen Zug?«
    »Sogar als einen sadistischen – jeder Psychologe hätte das ziemlich sicher als Projektion bezeichnet. Malcolm hat gern getötet. Es gibt keine andere Art, es zu beschreiben. Er wollte Clay im Kämpfen ausbilden. Ich habe gewusst, solange ich ein Auge darauf hatte, war es genau das, was Clay brauchte. Clay hat Malcolm gehasst, war aber sogar in diesem Alter schon klarsichtig genug, um aus den Lektionen alles mitzunehmen, was er konnte. Was allerdings das Vater-Sohn-Verhältnis angeht – das ist nie zustande gekommen.«
    »Wollte dein Vater nichts weiter als das?«
    »Ich bin sicher, er hat gehofft, Clay gegen mich ausspielen zu können. Malcolm hat ständig zwischen zwei Polen geschwankt – mich zu ignorieren und irgendwelche kleinlichen Racheakte zu planen. Der Gedanke, mir verpflichtet zu sein, war ihm zuwider.«
    »Verpflichtet?«
    »Sein Vater hat Stonehaven und den gesamten Besitz mir vermacht. Die Absicht meines Großvaters war gewesen, mich zu schützen, aber das Ergebnis war, dass ich danach für Malcolm verantwortlich wurde. Ich musste ihm ein Einkommen aussetzen und seine Morde verbergen, denn wenn das Rudel es herausgefunden hätte, wäre er verbannt worden und damit zu einer noch größeren Gefahr geworden.«
    Ich schwieg einen Moment lang und sagte dann: »Das ist das eigentliche Problem, oder? Du bist es müde, Verantwortung für andere zu tragen.«
    Er sah unvermittelt auf.
    »Dein Vater. Clay. Das Rudel. Elena, nachdem Clay sie gebissen hatte. Du warst immer für andere verantwortlich, und jetzt, wenn du hoffst, die Alpharolle allmählich abgeben zu können, ist eine Beziehung mit jemandem, den du möglicherweise auch wieder beschützen musst, das Letzte, was du brauchst.«
    »Nein. Das ist nicht wahr, Jaime. Clay und das Rudel waren Verantwortlichkeiten, die ich wollte. Sogar bei Elena und meinem Vater hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Ich mag es, Verantwortung zu tragen. Ich mag es zu helfen. Ich beschütze gern. Und ich bin mir sicher, dass das etwas Unschmeichelhaftes über meinen Charakter aussagt, aber ich kann nicht anders. Bei dir ist es viel eher so, dass ich versuche, es nicht zu übertreiben. Ich möchte gern Ratschläge geben und helfen, und ich weiß, das ist es nicht, was du brauchst.«
    »Manchmal schon«, sagte ich leise.
    Ein schiefes Lächeln. »In kleinen Dosen, ja. Wenn ich meinen instinktiven Wünschen die Zügel schießen ließe, dann würdest du schreiend in die andere Richtung rennen.« Er ließ sich auf seinem Sitz nach hinten sinken; das Lächeln verblasste. »Ich bin ein Anführer, Jaime. Ich mag es, die Kontrolle zu haben und für andere verantwortlich zu sein, und ich nehme das sehr ernst. Das bedeutet auch, dass ich keine Risiken eingehe. Niemals.«
    Ich fing seinen Blick auf. »Na ja, vielleicht solltest du allmählich anfangen.«
    Eine lange Pause. Dann murmelte er, so leise, dass ich seine Lippen lesen musste, um ihn zu verstehen: »Vielleicht sollte ich.«
    Als wir zum Haus zurückkehrten, war es nach Mitternacht. Jeremy und ich stahlen uns um das Haus herum in den Garten hinaus.
    Ich setzte mich unter einen knorrigen Zwergbaum, dessen lange, verdrehte Zweige mich an den Armen kitzelten, während Jeremy … seine Vorbereitungen traf. Über uns erhellte der fast volle Mond mit seinem gelben Schimmer den Garten beinahe bis zum Zwielicht. Irgendein Nachtvogel, eine Eule vielleicht, stieß einen kummervollen Ruf aus, und die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. Der schwache Geruch eines Holzfeuers trieb vorbei.
    »Schöne Nacht für Grabräuberei«, flüsterte Eve, während sie sich neben mir auf die Bank schob. »Hast du gewusst, dass du schon ein Geisterpublikum hast?«
    Ich sah mich um. Tansy und Gabrielle waren von einem Brunnenbecken fast verborgen. Tansy hob die Finger einer Hand und winkte mir verlegen zu. Ich winkte zurück, aber der Magen zog sich mir zusammen dabei. Wartete sie

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