Lockruf der Toten / Magischer Thriller
Ich schuldete ihnen nichts.
Oder vielleicht doch?
Ich dachte an den Vergleich, der mir zuvor eingefallen war. Die Nekromanten als die Elvisse der Geisterwelt. Alle wollen sie einen Blick auf uns erhaschen, mit uns reden. Nur ein kleines bisschen von unserer Zeit. Und ja, es kann erdrückend sein – so wie es, da bin ich mir sicher, für Elvis war. Oder ist. Aber wenn jemand kommt und einfach nur sagen will »Deine Musik finde ich toll« – hat er dann das Recht, denjenigen einfach zu ignorieren?
Ich habe genug Zeit in Hollywood verbracht, um zu wissen, dass dies ein schwieriges Thema ist – einerseits die Verpflichtungen des Künstlers seinem Publikum gegenüber, andererseits das Recht auf Privatsphäre. Ich bin nicht der Meinung, dass irgendjemand es seinen Fans schuldig ist, den Boulevardzeitungen das Ziel des bevorstehenden Urlaubs oder die Details des eigenen Liebeslebens zur Verfügung zu stellen. Aber ich glaube auch nicht, dass ein Autogramm oder dreißig Sekunden seiner Zeit zu viel verlangt sind – nicht angesichts der Tatsache, dass dies die Leute sind, die seine Träume finanzieren, indem sie seine Filme, Alben, Bücher oder was auch immer kaufen.
Ich sagte mir selbst, dass diese Analogie nicht gerade fair war. Ich hatte mit einer Unterschrift oder einem Lächeln für die Fans nie gegeizt. Welche Verpflichtung habe ich Geistern gegenüber? Sie zahlen nicht für die Sitzplätze in meinen Shows. Andererseits, ohne sie – oder präziser, ohne meine Fähigkeit, mit ihnen zu reden – hätte ich meine Karriere nicht gemacht. Natürlich konnte ich das Ganze spielen – in den meisten Fällen tat ich genau das. Aber es waren die echten Kontakte, so wie in der Séance mit Tansy Lane, die mich im Geschäft hielten.
Aber Geister wollen mehr als ein Autogramm oder einen Händedruck. Bin ich verpflichtet, zumindest öfter zuzuhören, als ich es schon tue?
Jeremy tauchte auf, und ich machte Anstalten aufzustehen, aber er winkte ab und erzählte mir, Hope habe ein Taxi genommen, und sagte, ich solle in Frieden meinen Kaffee austrinken. Er besorgte sich selbst einen und wollte sich dann auf das Sofa setzen.
»Äh, nicht gerade dort«, sagte ich.
Er sah über die Schulter auf den scheinbar leeren Platz hinunter. »Hallo, Eve.«
»Richte ihm einen Gruß aus … und bis demnächst«, sagte sie. »Ich muss ein paar Sachen überprüfen, und dann komme ich in den Garten.«
Bevor wir das Café verließen, erzählte Jeremy mir von den Ergebnissen unseres Einbruchs. Er hatte gehofft, den Namen der Frau herauszufinden, die sowohl mit Botnick als auch mit einem Mitglied der magischen Gruppe liiert gewesen war. Gefunden hatte er ein Buch mit Dutzenden von Frauennamen, alle mit Codes versehen. Wenn man den Schlüssel zu dem Code finden könnte, würde man vielleicht auch die entsprechende Frau finden – aber Jeremy hatte den Verdacht, dass dieser Schlüssel nur in Botnicks Kopf existierte. Eve würde inzwischen versuchen, Kontakt zu Botnick aufzunehmen, aber in den ersten Tagen nach dem Tod war das auch für einen Geist schwierig.
Hope hatte auch nicht mehr Glück gehabt. Wie sie bereits gefürchtet hatte – die Schwingungen, die sie aufgefangen hatte, waren alt gewesen. Sie hatte das Chaos irgendwann weit genug anzapfen können, um zu sehen, was sie zuvor nur gespürt hatte – eine Vision von einem Mann, der irgendwann in den zwanziger Jahren seine Frau mit der Axt erschlagen hatte. Eine grausige Belohnung für die ganze Arbeit und außerdem eine, die mit unserem Fall nicht einmal etwas zu tun hatte.
Ich zögerte noch eine Minute lang und erzählte Jeremy dann von den beiden Frauen auf dem Platz gegenüber, die mich so an meine Mutter erinnert hatten.
»Ich nehme an, ich habe mir einfach selbst leidgetan und daran gedacht, dass andere Eltern mit dem Paranormalen viel besser zurechtkommen. Aber du hast es schließlich auch nicht einfach gehabt.«
Ein halbes Achselzucken. Bedeutete das, dass er nicht darüber sprechen wollte? Oder dass er sich nicht beschweren wollte? Aber einen Moment später sagte er: »Ich war einfach nicht das, was Malcolm sich von seinem Sohn erhofft hatte.« Er verwendete oft den Vornamen, wenn er von seinem Vater sprach – was in sich selbst schon einiges über ihre Beziehung aussagte.
»Du warst kein Kämpfer, meinst du.« Ich spürte, dass ich rot wurde. »Nicht, dass du keiner …«
»Ich bin keiner. Ich kann einer sein, aber es ist nicht das, was ich wirklich bin. Ein
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