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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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der seriösen Fachfrau, die da vor einem alten Zauberbuch kniete, von brennenden Kerzen und esoterischen, mit Kreide auf den Boden gezeichneten Symbolen umgeben. Unerwartet, ja, aber in keiner Weise illegal – Geflüster und hochgezogene Augenbrauen hätte es gerechtfertigt, mehr aber auch nicht.
    Der graue Puder in der Schale hätte alles sein können – wäre wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen. Das war das Schöne daran, ganz anders als bei den getrockneten Leichenteilen, die ihre Nanny verwendet hatte, widerwärtigen Relikten, die gut versteckt gehalten werden mussten; als man sie doch entdeckt hatte, hatten sie die alte Frau die Stelle gekostet. All die Heimlichtuerei, die Scham und der Kummer für etwas, das nicht einmal funktioniert hatte. Oh, ihre Kinderfrau hatte natürlich etwas anderes behauptet, hatte Zufälle und glückliche Fügungen sich selbst zugeschrieben. Aber das war die Art, wie die Unwissenden Hexerei praktizierten – sie sahen in jedem Zusammentreffen glücklicher Umstände einen Erfolg.
    Anders als die Rituale, auf die ihre Nanny geschworen hatte, funktionierte diese Magie wirklich. Was die Frage anging,
warum
sie funktionierte – die Gruppe war überzeugt davon, dass das Schlüsselelement die Asche war. Auch sie selbst hatte das geglaubt. Sie war das Element, das den Unterschied zwischen Versagen und Erfolg ausmachte. Ergo musste hier die Antwort liegen.
    Und doch …
    Was, wenn die Magie mit der Asche funktionierte, weil sie daran glaubten, dass sie es tat? Weil sie
wollten,
dass sie das entscheidende Element war? Weil sie es
brauchten,
dass es so war als Entschuldigung für das, was sie getan hatten – das Leben eines Kindes geopfert? Schuldgefühle, Furcht und Überzeugung – lauter mächtige Motive.
    Vor drei Jahren hatte sie begonnen, mit geringeren Mengen von Asche zu experimentieren. Es hatte Monate täglichen Übens gebraucht, bis sie erste Ergebnisse sah. Die ständigen Übungen bedeuteten, dass sie mehr benötigte als den ihr zustehenden Anteil. Weil sie es war, die für die Einäscherungen und die Aufteilung des anfallenden Materials zuständig war, hatte sie sich unbemerkt einen Extraanteil nehmen können, aber sie verabscheute, was sie da tat. Wie ein Geschäftsführer, der Kopierpapier und Druckertinte beiseiteschaffte – es war armselig und würdelos.
    Aber nach jenem ersten Durchbruch hatte sich der Erfolg dann bei jeder weiteren Reduzierung schneller eingestellt. Es war, als ob sie in dem Moment, in dem sie sich selbst bewies, dass sie auch mit weniger Asche wirken konnte, die innere Barriere durchbrochen hatte, die etwas anderes behauptete. Es funktionierte nicht bei allen Formeln. Bisher hatte die Gruppe ein gutes Dutzend gemeistert, und nicht einmal die Hälfte von ihnen funktionierte, wenn man die verwendete Menge menschlicher Überreste deutlich reduzierte. Aber es war ein Fortschritt – ein weiterer Schritt auf dem Weg hin zu dem ultimativen Ziel, dem, das sie heute Abend überprüfen würde.
    Sie sprach die Formel wieder. Eine einfache Formel, die einen Funken hervorrief, kaum genug, um eine Zigarette anzuzünden, aber eine Sprosse auf dem Weg zu Höherem. Man musste zunächst das Elementare gemeistert haben, das galt bei der Magie ebenso wie bei allem anderen.
    Nachdem sie die Formel gesprochen hatte, blies sie eine Fingerkuppe voll Asche. Der Funke leuchtete heller. Sie versuchte es wieder und hatte auch dieses Mal Erfolg. Dann streckte sie die Hand aus, griff nach einem feuchten Handtuch und wischte den Finger sorgfältig ab, bis keine Spur von der Asche mehr zu sehen war.
    Sie sprach die Formel. Es geschah nichts. Noch einmal. Nichts.
    Sie schluckte ihre Enttäuschung hinunter. Ruhig und konzentriert bleiben. Sie tauchte den Finger in die Asche. Wirkte. Blies. Funke. Noch einmal. Wieder ein Funke. Finger abwischen. Wirken. Fehlschlag. Wirken …
    Die Luft entzündete sich mit einem winzigen Knacken von Licht und Wärme.
    Sie holte tief Atem und beugte sich vor; ihre Handflächen gruben sich in ihre Oberschenkel, als sie ausatmete. Dann gestattete sie sich ein Lächeln.
    Nur eine kleine Formel, sicherlich, aber sie hatte ihre Theorie bewiesen. Sie konnte ohne die Asche wirken – ohne irgendein Hilfsmittel.
    Sie widerstand dem Wunsch, es noch einmal zu versuchen. Nimm den Erfolg und bewahr ihn im Gedächtnis, unbeeinträchtigt von späteren Fehlschlägen. Es würde ihr zusätzliche Entschlossenheit geben, dieses Wissen darum, dass sie es beim

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