Lockruf der Toten / Magischer Thriller
Putzkolonne dafür bezahlte, sich unseren Abfall näher anzusehen. Und wenn ich wirklich Pech hatte, würde Hope dann plötzlich einen neuen Auftrag bekommen – der Sache mit Jaime Vegas’ zerrissenen, abwasserfleckigen, rattenhaarbehafteten Klamotten nachzugehen. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, welche Erklärungen
True News
und vergleichbaren Blättern
dafür
einfallen würden.
Dann wurde es Zeit, sich näher mit dem Becky-Problem zu befassen.
Auf dem Weg zum Frühstück streckte ich den Kopf in den Raum, den die Sicherheitsleute und die Crew als Büro und Aufenthaltsraum nutzten. Ich entschuldigte mich dafür, dass ich störte, wollte lediglich erwähnen, dass ich am Abend zuvor einen Paparazzo draußen hatte herumhängen sehen. Das war zwar gelogen, aber dafür saß ich wenige Minuten später auf der Schreibtischkante und unterhielt ein Trio von Sicherheitsmännern mit Geschichten vom Leben im Rampenlicht.
»Und letzten Monat habe ich einen Brief von einem Typen gekriegt, der mir sagen wollte, dass er eine Geschichte über mich geschrieben und ins Netz gestellt hatte«, sagte ich. »Ich fand das so süß – ich als Heldin von Fanfiction, wo ich nicht mal eine erfundene Figur bin. Also habe ich den Link eingegeben, den er mir geschickt hat, und angefangen zu lesen, und es war richtig niedlich – wie er mich bei einer Show kennenlernt und danach noch hinter die Bühne gebeten wird …«
»Uh-oh«, gackerte einer der Security-Leute.
Ich stieß ihn mahnend mit dem Fuß an, wobei mein schwarzer Seidenrock am Oberschenkel hinaufglitt; die Blicke der drei glitten hinterher. »Sie bilden sich ein, Sie wüssten, was als Nächstes passiert? Sie haben keine Ahnung.«
Er grinste. »Verraten Sie’s uns?«
»Sagen wir einfach, Geister kontaktieren zu können gibt Gelegenheit zu sehr interessanten Ménages à trois … und Ménages à quatre und Ménages à …, was ›fünf‹ auf Französisch eben heißt.«
Sie lachten.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass ich es mit Geishas und Amazonen habe, aber da hat es gestanden, lebhaft und detailliert und zusätzlich ausgeschmückt mit noch lebhafteren farbigen Illustrationen.«
»Geisterfotografie?«, fragte einer von ihnen.
Ich versetzte ihm einen Klaps auf den Arm, wobei meine Fingernägel seinen Bizeps streiften. »Zeichnungen natürlich. Sehr phantasievolle Zeichnungen.«
Der jüngste Wachmann drehte den auf dem Tisch stehenden Laptop zu sich herum, die Finger stoßbereit über der Tastatur, die Augenbrauen herausfordernd hochgezogen.
»Ihr Typen glaubt doch wohl nicht, ich hätte mir die URL gemerkt?«, fragte ich.
Woraufhin sie mir zu dritt zusetzten, bis ich seufzte und sagte: »Probieren Sie’s mit diesen Suchbegriffen: Jaime – J-A-M-I-E geschrieben, bis zu meinem Namen hat seine Detailverliebtheit dann doch nicht gereicht. Vegas. Geisha. Amazonenkriegerin. Und, äh, ›nubischer Sklaventreiber‹.«
Brüllendes Gelächter.
»Hab’s«, sagte der junge Wachmann. Und einen Moment später:
»Heiliger Bimbam.«
»Hatte ich erwähnt, dass es alles sehr phantasievoll war? Ich weiß nicht, wo ich diese Geschosse hergekriegt habe«, sagte ich mit einer Handbewegung zu meiner Brust hin. »Aber ganz offensichtlich habe ich mehr zu bieten, als man mit bloßem Auge sieht.
Viel
mehr.«
Während sie noch lachten, sah ich Angelique auf dem Weg zum Frühstückszimmer draußen vorbeikommen. Ich sprang vom Schreibtisch.
»Angelique!«
Sie blieb stehen und runzelte die Stirn, als sie sah, wer nach ihr gerufen hatte.
»Ich muss mit dir reden. Irgendwo …« Ich sah zu den Wachmännern hin. »Irgendwo unter vier Augen. Es tut mir leid, Jungs. Gibt es hier irgendwo ein leeres Zimmer …«
»Nehmen Sie das hier«, sagte der Leiter des Sicherheitsteams. »Wir verschwinden so lang.«
»Sind Sie sich sicher?«
Sie waren es. Als sie gingen, bedankte ich mich und versprach, später mit weiteren Geschichten zurückzukommen. Sie winkten Angelique ins Zimmer und schlossen dann die Tür.
»Wir sollen eigentlich in den Gemeinschaftsräumen bleiben«, sagte sie.
»Weißt du auch, warum? Ich zeig’s dir gleich.« Ich ging um den Schreibtisch herum und setzte mich auf den Stuhl dahinter. »Aber zunächst mal möchte ich wetten, ich weiß, wer dir diese Geschichten über mich erzählt hat. Es war entweder Becky oder Will, aber ich tippe auf Will. Er hat gleich am zweiten Tag das gleiche Spielchen bei mir ausprobiert – Andeutungen gemacht, dass du hinter meinem
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