Lockruf der Toten / Magischer Thriller
es nicht einmal so sehr Ritterlichkeit – es waren ganz normale, altmodische gute Manieren.
Er mochte keine Frauen um sich gehabt haben, als er herangewachsen war, aber er hatte seit nunmehr über fünfzehn Jahren Elena in der Nähe und war nicht in Gefahr, das »schöne Geschlecht« zu unterschätzen. Wäre er mit Elena dort in dem Laden gewesen, dann wäre sie als Erste in den Schacht geklettert und hätte sich selbst mit den Ratten angelegt, um
ihn
zu schützen,
ihm
den Rücken zu decken. Und er hätte es zugelassen. Bei mir war es eine Frage der Möglichkeiten und der Erfahrung. Ich war entschlossen, eines Tages die nötigen Nerven und Kenntnisse zu besitzen, um derlei selbst erledigen zu können. Bis dahin aber würde ich bestimmt nicht protestieren, wenn jemand mich an einem Rattennest vorbeitrug. Genauso wenig würde ich mich weigern, seine Jacke anzunehmen, wenn mir kalt war.
Ich zog das Jackett dichter um mich und schwelgte auf der ganzen Heimfahrt in der Wärme.
[home]
24 Manipuliert
A ls ich in Brentwood eintraf, wurde ich an der Tür von einem Wachmann in Empfang genommen. Als wäre ich wieder sechzehn und käme nach der vorgeschriebenen Zeit nach Hause. Er warf mir sogar den Was-hast-denn-du-angestellt-Blick mit hochgezogener Augenbraue zu, als er meine ruinierte Kleidung in Augenschein nahm.
Als ich an Gradys Tür vorbeikam, hörte ich meinen Namen und blieb stehen.
»Du hörst mir nicht mal zu, Frau!«, zischte Grady, laut genug, dass das Geräusch im Gang widerhallte. »Ich war
besessen.
«
»Ja, ja, ich weiß, aber die wollen nun mal, dass wir diese lächerlichen Prominentenséancen machen, also solltest du dich in Sachen Besessenheit vielleicht noch eine Weile auf Leute beschränken, die ins Programm passen …«
»Bildest du dir ein, ich hätte mir das ausgesucht? Diese – diese Macht – dieser bösartige Geist – es hat meinen Körper gestohlen. Ich war vollkommen machtlos. Ich konnte nicht sehen, hören, sprechen, ich war in irgendeiner Zwischenwelt gefangen.« Ein tiefer zitternder Atemzug. »Ich muss mit Jaime reden. Als dieses Ding mich gestern festgehalten hat, hatte ich so eine Art … Gefühl von ihr. Ich glaube, sie könnte wissen, was da passiert ist.«
Das Knarren eines Stuhls. »Darum geht es also? Deswegen brauchst du diesen ganzen Besessenheitsunfug aber nicht zu bemühen, Bradford. Wenn du die Frau auf ein paar Cocktails und einen Fick in irgendein Hotel einladen willst, nur zu. Ich habe dir dabei noch nie im Weg gestanden, oder?«
»Ich versuche dir gerade zu erklären, ich war besessen …«
»Oh, ich weiß schon, von was du besessen bist. In Ordnung, erledige das einfach, damit wir wieder zum Dienstlichen kommen können.«
»Das hier
ist
dienstlich. Irgendwas ist passiert da draußen, und ich glaube, Jaime Vegas kennt die Erklärung. Ich hab dir doch gesagt, sie hat die Gabe. Diese Vorstellung mit Tansy Lane …«
»… war eine bemerkenswerte Vorstellung. Alle Achtung – auch dafür, dass sie dieses Memo gefunden hat und somit schon wusste, wen sie an diesem Abend kontaktieren musste.«
»Becky hat nie gesagt, Jaime hätte das Memo gefunden …«
»Das arme Mädchen hat eine Todesangst, sie könnte ihren Job verlieren, also kann sie nur Andeutungen machen. Wenn Todd Simon rausfindet, dass sie das Memo über Tansy Lane aus Versehen in der Küche liegen lassen hat …«
»Das glaube ich nicht.«
»Nein? Na ja, ich habe meine Recherchen betrieben, denn dafür bezahlst du mich, Bradford, und dieser Todd Simon ist ein absolut rücksichtsloser …«
»Ich meine, das mit Jaime glaube ich nicht. Sie hätte mich wegen Amityville nicht zu warnen brauchen. Becky selbst hatte mit Sicherheit nichts dergleichen vor. Wenn Jaime Vegas so intrigant ist, wie Becky es hinstellt – warum mich nicht einfach in den Schlamassel stolpern lassen …«
Schritte auf der Treppe. Ein letzter Blick auf Gradys Tür, bevor ich zu meiner eigenen hinüberrannte.
Ich hatte mich von Becky manipulieren lassen. Wir
alle
hatten uns von Becky manipulieren lassen, aber das war keine Entschuldigung. Ich bilde mir ein, Charaktere einschätzen zu können – Showbiz-Charaktere zumindest. Aber ich war auf die »nervöse Nachwuchsregisseurin«-Masche hereingefallen. Angeschmiert. Aber nicht mehr lang.
Ich schaltete die Nachttischlampe aus, legte mich hin und rief Jeremy an. Er war beim zweiten Klingeln dran.
»Melde mich wie abgemacht«, sagte ich. »Ich liege vollkommen
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