Lockruf des Blutes
weißt schon …« Ich berühre mit dem Zeigefinger meinen Nasenflügel.
Er lächelt. »Ich fand es lustiger, abzuwarten, was du tun würdest.«
»Wie bist du hereingekommen?«
»Dein Partner. Er wollte gerade gehen, als ich kam.«
»Und er hat gesagt, du könntest hier auf mich warten? Allein in unserem Büro?« Das klingt nicht nach David.
Frey zuckt mit den Schultern. »Eine fantastisch aussehende Frau war bei ihm. Sie kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher. Jedenfalls habe ich ihm gesagt, ich wäre mit dir verabredet. Dass du ihm hättest Bescheid sagen sollen. Er wirkte ein bisschen verärgert, aber es hat ihn wohl nicht überrascht, dass du ihm nichts gesagt hast. Die Frau hat so etwas gemurmelt wie ›Typisch‹, und dann sind sie gegangen.«
Na toll. Weiterer Brennstoff für Glorias wachsenden Scheiterhaufen. Jeden Moment wird sie ein Streichholz dranhalten, und dann geht meine Partnerschaft mit David in Rauch auf. Ich lasse mich auf den Sessel auf meiner Seite des Schreibtischs fallen. »Wie geht es Trish? Ich dachte, du wolltest heute Abend ganz in ihrer Nähe bleiben.«
Er setzt sich in Davids Sessel. »Sorrel kümmert sich um sie.«
»Also, du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Was machst du hier?«
Frey lehnt sich zurück und führt die Finger wie zu einem Zelt zusammen. »Wo sollte ich denn sonst hingehen? Das FBI beobachtet meine Wohnung. Deine vermutlich auch. Ich habe darauf gehofft, dass sie dein Büro nicht überwachen würden. Zumindest nicht heute Abend.«
Ich nicke, denn ich vermute, dass er recht hat. »Hoffentlich hast du für morgen eine Vertretung in der Schule organisiert. Mom hat sich über alles, was passiert ist, furchtbar aufgeregt. Das FBI hat ihr schon einen Besuch abgestattet.«
»Das überrascht mich nicht. Diese Schakale drehen doch jeden Stein um.«
Seine Stimme klingt irgendwie komisch. Im Dämmerlicht scheinen seine Augen zu glühen. Er richtet den Blick dieser Augen auf mich, und ein Schauer läuft mir über den Rücken.
»Was ist los, Frey? Du siehst – merkwürdig aus.«
Er hebt eine Hand und wendet sie hin und her. »Ich dachte, du hättest vielleicht gern Gesellschaft. Weißt du, dass heute Vollmond ist?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein. Sollte ich das wissen?«
»Wahrscheinlich nicht. Der Mond hat ja keine Wirkung auf dich.«
»Ich dachte, auf dich hätte er auch keine.«
Er steht abrupt auf und geht vor der gläsernen Schiebetür auf und ab. Er wirkt unruhig, gehetzt.
»Frey?«
Er bleibt abrupt stehen und wirbelt zu mir herum. »Hast du heute irgendetwas herausgefunden?«
»Nichts Brauchbares.« Ein Bild aus einem der Videos steht mir vor Augen, und ich fahre mir mit einer Hand übers Gesicht, um es auszulöschen.
»Nichts?« Er geht wieder auf und ab. »Wo bist du hingegangen, nachdem du den Park verlassen hast?«
Ich hatte ganz vergessen, dass er ja nichts von Ryan und dem Computer weiß. »Hat Trish dir von ihrem Freund erzählt?«
Doch er scheint mir gar nicht zuzuhören. Er zerrt am Halsausschnitt seines T-Shirts, als wäre ihm der Kragen zu eng. Schweißperlen glitzern auf seinem Gesicht.
»Was hast du denn?«, frage ich.
Er verzieht das Gesicht. »Ich habe dir nicht die ganze Wahrheit über den Mond gesagt. Der Mond, die Gezeiten und Konjunktionen bestimmter Planeten, all das hat eine Wirkung auf mich. Ich kann mich verwandeln, wann immer ich will. Aber es gibt gewisse Nächte, in denen ich keine Wahl habe. Unter normalen Umständen schließe ich mich in meiner Wohnung ein und sitze es aus. Aber dies sind keine normalen Umstände, nicht wahr?«
Er sagt das, als koste es ihn ungeheure Anstrengung, irgendeinen schrecklichen, primitiven Drang im Zaum zu halten. Vielleicht ist es tatsächlich so. Nun bin ich froh, dass ich keinen Einblick in seinen Geist mehr habe.
»Du wirst mir allmählich unheimlich«, sage ich. »Soll ich dich allein lassen? Ich kann dich hier einschließen, wenn du willst.«
Er weist ruckartig mit dem Daumen auf die Glastür. »Wenn das da nicht wäre.«
»Ja, aber die führt nur zu einer Terrasse über dem Wasser. Panther können doch nicht schwimmen, oder?«
» Ich kann schwimmen«, erwidert er.
Womit er recht hat.
»Kann ich denn sonst etwas für dich tun?«
Zur Antwort fängt er wieder an, auf und ab zu tigern. Die Schatten der Nacht und eine tief über dem Wasser herankriechende Nebelbank haben das restliche Tageslicht verschluckt. Das Büro liegt im Dunkeln. Obwohl ich im
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