Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
Vom Netzwerk:
Schulter, und ein Typ in einem Fed-Ex-Transporter hebt beide Hände zu einer »Was soll denn das?«-Geste. Ich hatte ganz vergessen, dass ich hier in einer Ladezone stehe.
    Gutes Timing, sage ich mir, und fahre los. Solche Gedanken sollte ich mir im Moment sowieso nicht machen.
    Zeit, mir die nächsten Schritte zu überlegen. Ich könnte zu meiner Wohnung zurückfahren und Feierabend machen. Müde genug wäre ich, weiß Gott. Ich könnte auch in eine Bar gehen und noch ein Bier trinken. Aber das würde Anmache bedeuten, oder, schlimmer noch, keine Anmache. So oder so unerträglich.
    Dann bleibt mir nur noch eines übrig. Ich wende und fahre zum Büro. Ich werde den Anrufbeantworter abhören, meine E-Mails abrufen und so tun, als ginge ich noch meinem Beruf nach. Wenn ich Glück habe, steht noch ein Bier im Kühlschrank, und ich kann mich auf die Terrasse setzen und mir den Sonnenuntergang anschauen.
    Davids Hummer steht nicht auf seinem reservierten Parkplatz. Um halb sieben Uhr Abends habe ich auch nicht damit gerechnet, dennoch spüre ich einen Stich der Enttäuschung. Kaum zu fassen, dass ich ihn erst vor zwei Tagen zuletzt gesehen habe. Es kommt mir viel länger vor.
    Ich spiele mit dem Gedanken, ihn anzurufen und ihn zu fragen, ob er ein Bier mit mir trinken möchte.
    Aber wenn Gloria noch bei ihm ist, wird er darauf bestehen, dass sie mitkommt. Das wäre dann doch zu viel. Ganz gleich, wie einsam ich mich fühle.
    Ich schließe den Ford ab, stecke den Schlüssel ein und hänge mir die Tasche über die Schulter. Am Horizont hängen ein paar Wolken ganz dicht über dem Wasser. Auf der Strandpromenade sind eine Menge Leute unterwegs, normal, sterblich, sie schlendern gen Süden zum Seaport Village, angezogen gleichermaßen vom Duft nach gegrilltem Fisch und Steaks wie von dem Versprechen auf einen grandiosen Sonnenuntergang.
    Einen Augenblick lang bin ich versucht, mich unter sie zu mischen, mich in der Menge zu verlieren und so zu tun, als sei ich eine von ihnen. Aber nur einen Augenblick lang. Ich bin keine von ihnen mehr, und es hat keinen Sinn, auch nur so zu tun. Ich seufze tief und gehe zur Tür.
    Ich habe den Schlüssel schon in der Hand. Da unser Büro zum Wasser hin liegt, gehe ich nach hinten herum. Meine Gummisohlen machen kaum ein Geräusch auf den Holzbohlen über dem Wasser. Als ich um die Ecke komme, bleibe ich stehen wie angewurzelt, der Schreck fühlt sich beinahe an wie ein Stromschlag. Die Tür zu unserem Büro steht offen.
    Der Vampir in mir verschluckt meine menschliche Seite vollkommen. Mit einem leisen Knurren stupse ich die Tür an und lasse sie aufschwingen.
    Drinnen brennt kein Licht. Im Halbdunkel sehe ich eine einsame Gestalt vor dem Aktenschrank am anderen Ende des Büros stehen. Er hat mir den Rücken zugewandt und ist anscheinend ganz in das Spiel des Lichts auf dem Wasser vertieft. Die tiefstehende Sonne im Fenster blendet mich und lässt seine Umrisse verschwimmen. Lautlos nähere ich mich ihm und strecke vorsichtig meine gedanklichen Fühler nach ihm aus, um festzustellen, wer oder was er ist. Ich bekomme keine Antwort.
    Ein Mensch? Meine vampirische Seite zieht sich ein wenig zurück. Einen Menschen kann ich leicht überwältigen, ohne meine Reißzähne zu gebrauchen. Da mein Spiegelbild nicht im Fenster erscheint, stehe ich schon neben ihm, als seine ruhige Stimme die Stille unterbricht.
    »Hallo, Anna. Ich habe auf dich gewartet.«
    »Frey?« Ich beiße die Zähne zusammen und starre ihn finster an. »Bist du verrückt? Ich hätte dich beinahe …«
    »Was? Gebissen? Ist doch nichts Neues.«
    Er dreht sich zu mir um und lacht. »Du siehst aus wie Malibu-Barbie.«
    Ich reiße mir mit einer Hand Hut und Sonnenbrille herunter und befreie mich mit der anderen von der Perücke. »Was tust du denn hier?«
    Er weist mit der rechten Hand, in der er eine Bierdose hält, auf das Fenster. »Ich genieße die Aussicht. Euer Geschäft muss großartig laufen, wenn ihr euch hier ein Büro leisten könnt.«
    »Wir brauchen nicht die volle Miete zu bezahlen.«
    Er zieht eine Augenbraue hoch. »Dein Freund?«
    »Nein. Mein Vater. Sonst noch Fragen?«
    Er trinkt einen letzten Schluck aus der Dose und wirft sie in den Abfalleimer am Schreibtisch. »Nein.«
    Ich lasse bewusst die Schultern sinken und versuche, meinen steifen Nacken zu lockern. Adrenalin rauscht mit unverminderter Heftigkeit durch meine Adern. »Warum hast du denn nichts gesagt? Du musst doch gemerkt haben, dass ich da bin. Du

Weitere Kostenlose Bücher