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Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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dem Schlaf. Ich richte mich auf, mit hämmerndem Herzen, geblendet vom Glitzern der Sonne auf dem Wasser. Die Uhr auf dem Schreibtisch zeigt 6:15.
    Frey ist weg. Seine Kleidung auch.
    Ich lasse den Kopf wieder auf die Tischplatte fallen und stöhne. Ich habe die Nacht gerade damit verbracht, den Babysitter für ein überdimensioniertes Schmusekätzchen zu spielen. Ich weiß nicht, wo er ist und wie er dorthin gekommen sein mag. Hoffentlich hat er gewartet, bis er wieder seine menschliche Gestalt annehmen konnte, aber im Moment ist mir das ziemlich egal.
    Höchste Zeit, Williams und Ryan zusammenzubringen und herauszufinden, wem der Computer gehört. Mit einem weiteren lauten Stöhnen bewege ich meinen müden Hintern aus dem Sessel und blicke mich nach der Perücke und der Brille um. Ich frage mich, ob Bradley und Donovan inzwischen gemerkt haben, dass ich ihnen entwischt bin. Wenn sie es gemerkt haben und auch nur halbwegs taugliche Agenten sind, haben sie inzwischen bei der Kraftfahrzeugbehörde angerufen, um festzustellen, wie viele Autos auf mich zugelassen sind. Der Ford ist zwar unter unserem Firmennamen angemeldet, aber ich nehme doch an, dass sie den inzwischen auch kennen.
    Ich greife zum Telefon und rufe mir ein Taxi. Der Fahrer soll mich auf dem Parkplatz vor dem Seaport Village am Pacific Coast Highway abholen. Ich setze die Perücke und die Brille wieder auf und tausche meine Jeansjacke gegen einen ziemlich heruntergekommenen Ledertrenchcoat, den ich für genau solche Notfälle im Büro aufbewahre. Den Strohhut stopfe ich in eine Schublade und verspreche David in einer hingekritzelten Nachricht, dass ich ihn heute Abend anrufen werde. Optimistisch füge ich hinzu, dass ich Trish bis dahin sicher zu Hause haben und morgen früh ganz normal zur Arbeit kommen werde.
    Die Macht des positiven Denkens.
    Jetzt muss ich nur noch hier rauskommen, ohne dass mich jemand sieht – falls denn jemand das Büro beobachtet. So früh am Morgen ist auf der Strandpromenade nicht viel los. Ein paar Jogger und Leute aus den benachbarten Wohnungen, die mit ihren Hunden spazieren gehen. Aber ich kann von hier aus den Parkplatz nicht einsehen, also kann ich das Haus nicht in diese Richtung verlassen, ohne zu riskieren, dass ich dabei erwischt werde. Niedrige hölzerne Geländer trennen die Terrassen der Büros auf der Wasserseite voneinander ab. Ich könnte locker über die Geländer klettern und mich so nach vorn arbeiten. Das einzige Problem ist, dass ein erschrockener Mieter, der besonders früh aufgestanden ist, mich für einen Einbrecher halten und die Polizei rufen könnte.
    Das Risiko muss ich eingehen.
    Doch dieses eine Mal habe ich das Glück auf meiner Seite. Ich erreiche das Büro am Ende der Rückfront ohne jeden Zwischenfall. Ich will mich gerade auf die Strandpromenade hinauswagen, als eine vertraute Stimme mich erstarren lässt.
    Das ist Special Agent Bradley, und er klingt so nah, dass er direkt hinter der Hausecke stehen muss. Anscheinend telefoniert er gerade am Handy, denn ich höre nur eine Seite der Unterhaltung.
    »Ja. Ich weiß. Wir sind gerade erst angekommen. Ihr Auto steht auf dem Parkplatz.« Pause. »Ich weiß nicht, ob Frey bei ihr ist oder nicht.« Pause. »Wenn er nicht da ist – wir haben Leute vor seiner Wohnung und vor der Schule.« Pause. »Ja, mir ist bewusst, dass er uns entwischt ist. Aber sie haben wir aufgespürt, und ihn werden wir schon noch kriegen. Und eigentlich wollen wir doch den Computer, oder? Frey ist nur der Vorwand, den wir …«
    Bradleys Stimme wird vom Lärm eines nahenden Müllautos verschluckt. Selbst mit meinem vampirischen Supergehör kann ich kein Wort mehr verstehen.
    Dabei will ich das unbedingt.
    Er hat einen Computer erwähnt. Ryans Computer? Wie könnte er davon wissen?
    Bis die Müllabfuhr weitergefahren ist, hat sich offenbar auch Bradley verzogen. Auf dem Parkplatz ist es wieder still.
    Wenn ich nicht bald versuche, ihm zu entwischen, sitze ich hier fest, bis der Mieter dieses Büros auftaucht und Alarm schreit.
    Was bleibt mir also übrig?
    Ich bücke mich und schiebe vorsichtig den Kopf um die Ecke. Der Fairlane steht vor dem Anlegesteg der Fähre ein Stück weit die Straße hinunter. Bradley lehnt am Kofferraum und blickt aufs Wasser hinaus. Ich wende ihm den Rücken zu und taumele mit hängenden Schultern auf die Büsche zu, die den Fußgängerweg säumen. Sollte er zufällig in meine Richtung blicken, wird er eine gekrümmte ältere Frau in einem

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