Lockruf des Verlangens (German Edition)
etwa hundert Meter nach Osten von der Stelle, an der wir Lake getroffen haben, und sag mir, was du witterst.«
Man hörte nur das Rascheln von Marias Füßen. Dann ihre atemlose Stimme. »Mediale. Es riecht nach Medialen.«
Hawke hatte die Gegend überprüft, in der Sienna die Lampe gefunden hatte. Genauso wie Maria hatte er sofort den scharfen metallischen Geruch wahrgenommen, den manche Mediale verströmten – als wären sie so tief in Silentium, dass sie alles Menschliche verloren hatten. Nur klirrende Kälte war zurückgeblieben.
Sienna war nicht kalt gewesen.
Warm, weiblich und doch muskulös hatte sie überraschenderweise ganz weich in seinen Armen gelegen. Sie waren immer verschiedener Meinung gewesen, hatten Differenzen miteinander ausgetragen. Es war ein Geschenk, sie so süß im Arm zu halten – sie zu verlassen, war dagegen die reinste Tortur gewesen. Sein Wolf hatte ihn nicht verstanden – für ihn roch sie wie eine erwachsene Frau. Das Tier begriff einfach nicht, dass sie gerade erst die Schwelle zum Frausein überschritten hatte.
Seit sie mich mit fünf abgeholt haben, bin ich kein Kind mehr.
Heftiger Zorn stieg in ihm auf. Er hatte immer gewusst, dass sie von Kindesbeinen an konditioniert worden war, aber bis zu diesen Worten hatte er nicht verstanden, welchen Schmerz ihre Gabe von ihr gefordert hatte.
Sie hatte nie gespielt.
Wie war so etwas nur möglich? Spielen war für einen Wolf ebenso wichtig wie Atmen.
Sie hat mit uns gespielt.
Der Wolf sprach in ihm. Hawke legte die Stirn in Falten und wollte sich dagegen verwahren. Seit sie die Höhle betreten hatte, hatte Sienna ihn wahnsinnig gemacht. Die Party zu ihrem Achtzehnten hatte damit geendet, dass ein Haufen nackter Wölfe sich den Hintern im See abgefroren hatte. Ihre Kleider waren so weit verstreut gewesen, dass er gar nicht wissen wollte, was zum Teufel sie angestellt hatten.
Wenn sie die Absicht gehabt hatte, ihn in den Wahnsinn zu treiben –
»Kannst du es bestätigen?«
Hawke war nicht überrascht, er hatte Rileys Witterung schon wahrgenommen. »Ja. Deutlich medial.«
»Verdammt«, entfuhr es Riley. »Sie tun es also wirklich.«
»Neues von unseren Quellen?«
»Lucas hat mit Nikita gesprochen. Sie sagt, die Spannungen im Rat seien nicht mehr zu übersehen. Henry und Shoshanna Scott haben deutlich gemacht, dass sie die Führung übernehmen wollen. Haben jeden, der anders denkt, im Visier.«
»Ein Krieg unter Medialen geht uns nichts an.« Er musste seine Leute schützen – seinetwegen konnten sich die Medialen selbst zerstören … so wie sie einst das SnowDancer-Rudel fast ausgelöscht hatten.
»Sicher nicht«, sagte Riley, doch in seinem Ton klang eine Frage mit.
Hawke sah auf den mit Tannennadeln bedeckten Waldboden, das dichte Dach der Baumkronen sorgte dafür, dass nichts anderes hier zu Boden fiel. »Denkst du dasselbe wie ich: Keine Chance, dass die Sache auf die Medialen beschränkt bleibt?«
»Wie Max schon festgestellt hat«, sagte Riley, der ehemalige Polizist war inzwischen Nikitas Sicherheitschef, »wird diese Gegend als eine Einheit betrachtet. Ganz egal, wie wir uns verhalten, sie werden uns nicht in Ruhe lassen.« Er zuckte die Achseln. »Außerdem haben wir heftig zurückgeschlagen. Zumindest ein Teil des Rats wird der Meinung sein, dass wir zu stark sind, um uns unbehelligt zu lassen.«
Das wusste Hawke auch. Ihm war auch klar, dass Nikita und Anthony das kleinere Übel waren, dennoch wurmte es ihn, dass sein Rudel gezwungen war, mit zwei Ratsmitgliedern gemeinsame Sache zu machen. »Wir werden die Patrouillen verstärken. Die gemeinsame Grenze mit den Leoparden dürfte uns keine Sorgen machen, aber wir müssen ihnen sagen, dass die Medialen möglicherweise herumschnüffeln, auch wenn es momentan so aussieht, als hätten sie es nur auf uns abgesehen.«
Riley nickte nachdenklich. Hawke wartete ab, was er zu sagen hatte. Riley und Indigo waren starke Grundpfeiler, auf die er sich verlassen konnte – Riley hatte schon an seiner Seite gestanden, bevor Hawke mit fünfzehn ihr Leitwolf geworden war. Danach hatten ihn zwar auch die noch verbliebenen Offiziere gestützt, aber weit öfter hatte er den Rat des besonnenen Teenagers gesucht, der sein bester Freund war. Die jüngere Indigo war ein paar Jahre später in ihren Kreis aufgenommen worden, nun war sie seine linke Hand und Riley die rechte. Sie hatten ihn mehr als einmal davor bewahrt, in den Abgrund zu stürzen, hatten ihn bedrängt, wann immer es
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