Lockruf des Verlangens (German Edition)
gesetzt hatte, und sich eine Geliebte nehmen. Eine Frau, die wusste, was sie zu erwarten hatte, die ihn nicht am Morgen mit waidwunden Augen ansehen würde, obwohl er ihr alles gegeben hatte, was er konnte.
Mehr stand ihm nicht zur Verfügung.
Nach ihrer Halbtagsschicht an den Reviergrenzen war Sienna gerade rechtzeitig zurück, um an einem wissenschaftlichen Projekt mitzuarbeiten und mit Marlee und Toby zu Abend zu essen. »Sie sind beide im Bett«, erzählte sie Walker, als dieser nach seiner Spätschicht nach Hause kam.
Walker legte die Jacke ab, seine kräftigen Schultern steckten in einem Jeanshemd. »Ich übernehme jetzt …«
Doch sie ging noch nicht, machte ihm stattdessen das Essen warm und stellte es auf den Tisch. Walker hatte sich frisch gemacht und kam in dem Moment aus dem Schlafzimmer, als Sienna ein Glas Wasser neben seinen Teller stellte. Er legte ihr die Hand auf den Kopf und küsste sie auf die Stirn, genauso wie sie es mit Toby und Marlee tat. »Du hast Sorgen.«
Fast hätte sie bei dem zarten Ton seiner Stimme die Fassung verloren. »Es ist nichts weiter.« Sie hätte es nicht ertragen, über die letzte Nacht zu reden, den schmerzhaften Zauber eines verstohlenen Tanzes zu teilen, der sich vermutlich niemals wiederholen würde und sie dennoch für immer gezeichnet hatte. Immer noch spürte sie den rauen Kuss von Hawkes Kinn an ihrer Schläfe, die große, warme Hand auf ihrem Kreuz, die muskulöse Brust an ihren Brüsten.
Walker zog sich zurück und sah sie mit den blassgrünen Augen an, die viel zu viel wahrnahmen, aber er bedrängte sie nicht. Erleichtert verabschiedete sie sich von ihm und zog die Jacke über, um unter dem Sternenhimmel noch einen Spaziergang zu machen. Nachtschwarz hatte der Himmel ausgesehen, als Hawke sie in seine Arme gezogen hatte, als hätte sich selbst das Universum mit ihnen zusammengetan, um ihnen diesen Augenblick zu schenken.
»Sienna!«
Überrascht blieb sie stehen und wartete auf Maria. »Gerade auf dem Weg zur Schicht?«
Die dunklen Locken wippten, als die Rekrutin nickte. »Verrätst du mir, was gestern Abend zwischen dir und Hawke passiert ist?«
»Nichts.« Nur ein langsamer, herzzerreißend schöner Tanz, der all ihre Illusionen darüber zerstört hatte, dass sie diesen Mann davon überzeugen könnte, dass vielleicht doch nicht zu viele Jahre sie trennten.
Zum Glück nahm Maria ihre Antwort für bare Münze. »Du hattest Frühschicht, nicht wahr? Muss ganz schön hart gewesen sein, so früh aufzustehen nach dieser Nacht.«
»War in Ordnung.« Sie musste nicht aufwachen – hatte gar nicht erst geschlafen, nachdem sie zur Höhle zurückgekehrt waren. »Hast du was dagegen, wenn ich dich begleite? Ich bin noch nicht müde genug, um ins Bett zu gehen.« Im Schlaf würde sie doch nur träumen, und Hawkes Duft würde sie verfolgen.
»Gesellschaft ist immer willkommen.« Eine Wolfsantwort.
Sie rannten schweigend zu dem Abschnitt, an dem Maria Lake bei der Wache ablösen sollte. Heftig atmend, aber keineswegs erschöpft, ließ Sienna die beiden allein, die sich voller Zuneigung sehr wölfisch begrüßten – Nase an Nase, Leib an Leib, ein Kuss zur Vollendung des Körperkontakts.
Ihre Schicht hatte sie in einem anderen Teil des Reviers abgeleistet, deshalb gab es hier noch jede Menge zu entdecken. Dennoch hätte sie den Gegenstand fast übersehen: ein dunkler, glitzernder Stift. Da sie vermutete, er sei einem Rudelgefährten ausder Tasche gefallen, hob sie ihn auf – die Wölfe achteten peinlich darauf, dass kein Unrat ihr Land verschandelte. Erst jetzt erkannte sie, dass es kein Stift, sondern eine kleine, aber leuchtstarke Taschenlampe war, die vermutlich sehr kostbar war.
Die Wölfe besaßen ein paar davon. Meist benutzten sie jene Gefährten, die keine Gestaltwandler waren – denn Wölfe konnten auch ohne die Hilfe von Taschenlampen im Dunkeln besser sehen als sie – , die Ein- und Ausgabe wurde genauestens protokolliert. Sicher würde jemand Ärger bekommen, weil er die Lampe verloren hatte. Sienna steckte sie ein und ging wieder zurück, um sich Lake auf dem Heimweg anzuschließen.
Endlich erschöpft genug, um ein wenig traumlosen Schlaf zu finden, trennte sie sich am Eingang zur Höhle von ihm und wollte die Taschenlampe zurückbringen … doch in jeder Box lag bereits eine. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, sie rief Maria an. »Kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte sie, als die Rekrutin sich meldete.
»Ja, welchen denn?«
»Geh
Weitere Kostenlose Bücher