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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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würde niemals verstummen.
    Es sei denn …
    Mein Blick fiel auf die Brunnenöffnung.
    Es gab doch einen Ausweg! Eine Möglichkeit, das Kreischen zu beenden. Dem Lärm in die Stille zu entkommen, statt Schmerzen zu leiden, in friedvolle Ruhe zu gleiten. Es würde so einfach sein, so einfach …
    George hatte seinen Degen fallen lassen. Er kauerte auf dem Boden und barg den Kopf zwischen den Armen. Die Schatten hinter ihm führten einen Freudentanz auf.
    Ich setzte mich in Bewegung. Vor mir lag der Brunnenschacht, der mit grauen Steinen eingefasste Weg zu Frieden und Stille …
    Es war ganz einfach, natürlich. Im Grunde hatte ich es die ganze Zeit gewusst, von Anfang an, seit ich das Haus so zögerlich betreten hatte. Jeder meiner Schritte hatte darauf zugeführt, vorbei an all den TYP EINS Geistern , dem boshaften Raunen, dem Roten Zimmer … und schließlich die Wendeltreppe hinunter bis in diese Brunnenkammer. Hier endete alles. Hier, tief unter dem Heimgesuchten Haus, war es still, still bis in alle Ewigkeit. Es bedurfte nur noch weniger Schritte, bis das Kreischen endlich aufhören und ich ein Teil der unendlichen Stille werden würde.
    Den ersten Schritt tat ich rasch und entschlossen. Als ich zum zweiten ansetzte, durchzuckte ein stechender Schmerz meine Brust. Ich blieb stehen und tastete nach dem kleinen Behälter um meinen Hals. Es war das Medaillon, das den Energiestoß abgegeben hatte, das spürte ich sogar durch das Silberglas hindurch. Typisch Annie Ward – immer musste sie Scherereien machen. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie würde mich in die unendliche Stille begleiten.
    Der Brunnenschacht rief nach mir, versprach mir Erlösung. Freudig tat ich die letzten Schritte, trat über den Rand …
    … und hing im Leeren, über dem pechschwarzen Abgrund.
    Etwas hatte mich gepackt und hielt mich fest. Etwas zog mich zurück auf sicheren Boden.
    Es war Lockwood. Sein Gesicht war grau und eingefallen, sein Haar zerzaust, sein langer Mantel fleckig und zerrissen. Blut lief ihm über den Hemdkragen. Er packte mich um die Taille und zog mich an sich.
    »Nein«, flüsterte er mir ins Ohr. »Nein, Lucy! So soll es nicht enden.«
    Er ließ mich los, nahm die umgehängten Ketten von der Schulter und ließ sie auf den Boden fallen. »Streichhölzer!«, kommandierte er. »Gib mir deine Streichhölzer. Und alle Ketten, die du hast!« Er tastete über seinen Gürtel. »Die Reservespäne und Silberplomben auch. Los, mach schon! Der Brunnen ist die Quelle der Heimsuchung, was sonst? Dort unten hausen die Besucher.«
    Seine Entschlossenheit brach die Geisterstarre und die Macht des nicht enden wollenden Kreischens. Ich legte meine Ketten ebenfalls auf den Boden und die Plomben daneben. Aus einer Gürteltasche holte ich eine Schachtel Sunrise-Streichhölzer, und Lockwood nahm seine letzte Leuchtbombe vom Gürtel. Die große mit der roten Papierhülle und der extralangen Zündschnur, damit man genug Zeit hatte, sich in Sicherheit zu bringen.
    Lockwood holte sein Taschenmesser heraus und kappte die Zündschnur bis auf einen kleinen Stummel.
    »Anzünden!«
    Er war schon dabei, die Ketten in Richtung Brunnenschacht zu schleifen, kämpfte gegen den nervenzermürbenden Lärm an. Die sieben Schatten an der Wand hatten innegehalten und schienen ihn zu belauern. Dann stießen geisterhafte Arme aus dem Mauerwerk, reckten sich nach uns, und mit ihnen tauchten die ersten Köpfe auf.
    Ich riss ein Streichholz an und hielt es an den Zündschnurstummel. Ein Funke glühte auf.
    Lockwood stieß die Ketten und Plomben mit dem Fuß in die Brunnenöffnung. Dann taumelte er rückwärts, nahm mir die Leuchtbombe aus der Hand und brüllte: »Lauf, Lucy! Lauf zur Treppe!«
    Aber ich konnte mich nicht rühren. Ich fühlte immer noch den tödlichen Sog des Brunnenschachts. Mir war, als steckte ich in zähem Teer fest, ich hatte nicht mal mehr die Kraft, mich umzudrehen.
    Die Besucher hatten sich endgültig aus der Wand gelöst und drängten jetzt von allen Seiten auf uns ein. Zwei der ersten beugten sich schon über den immer noch am Boden kauernden George. Die anderen fünf hatten es auf Lockwood und mich abgesehen. Ihre verschwommenen, leichenblassen Gesichter spähten unter den verrotteten Kapuzen hervor. Augenhöhlen klafften, scharfe Zähne blitzten. Und das Kreischen schwoll immer noch weiter an.
    Lockwood torkelte mit der Leuchtbombe zum Brunnen. Der Zündschnurstummel war bis auf einen winzigen Rest heruntergebrannt.
    Er ließ

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