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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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angsterfüllter. Andere Stimmen fielen in den Hilferuf ein und sie wurden immer verzweifelter und schriller. Laut und immer lauter … alles andere übertönend, das Stampfen der Stiefel und das Klirren der Kettenpanzer, bis sie sich zu einem einzigen anschwellenden Angstschrei vereinten, der tief aus der Erde zu kommen schien …
    Ich riss meine Hand zurück.
    Vorbei. Ich sog tief die verqualmte Luft ein und musterte ängstlich die Wand. Nein, ich hatte mich getäuscht. Gott sei Dank! Einen Augenblick war es mir vorgekommen, als hätte sich mein Schatten verändert, als sei er größer, länger, gebeugter und schärfer umrissen geworden … Aber er war, wie er sein sollte. Und es war wieder still.
    Ich streifte mühsam den Handschuh über meine steif gefrorenen Finger. Still …
    Leider stimmte das nicht ganz. Ich hörte den Nachhall des schrecklichen Schreis immer noch, wenn auch sehr leise und sehr weit weg.
    »Äh … Jungs …?«, sagte ich.
    Lockwood blieb wie angewurzelt stehen und rief aus: »Natürlich, ich Blödmann!«
    George und ich starrten ihn an. »Was?«, fragte George. »Was ist denn los?«
    »Warum bin ich da nicht gleich draufgekommen!«
    »Worauf denn?«
    »Auf die Lösung! Mann, war ich blöd!«
    Ich drückte beide Hände an die Schläfen und lauschte angestrengt. »Warte mal, Lockwood«, sagte ich. »Hörst du …«
    »Mir reicht’s!«, unterbrach mich George. »Du benimmst dich schon die ganze Zeit so komisch, Lockwood. Rück endlich mit der Sprache raus! Es geht doch bestimmt wieder um Fairfax, und weil sein Auftrag uns erst in diese gefährliche Lage gebracht hat, bist du uns eine Erklärung schuldig.«
    Lockwood nickte. »Hast ja recht. Sobald wir die Quelle der Heimsuchung gefunden haben –«
    »Nein! Ich will jetzt wissen, was los ist!«
    Das Kreischen schwoll an, entfernt noch, aber schon wieder lauter. Die Kerzen flackerten, verzerrte Schatten glitten über die Wände. »Hörst du das nicht, Lockwood?«
    Aber er beachtete mich gar nicht. »Wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen, George. Wir müssen dranbleiben.«
    George ließ nicht locker. »Dann redest du eben schneller und benutzt kurze Wörter!«
    »Klappe halten!« Meine Kollegen schauten mich erstaunt an. Ich biss die Zähne zusammen und grub mir die Finger in die Schläfen. Das schauerliche Geschrei war unerträglich laut geworden. »Hört ihr denn nichts? Dieses schreckliche Kreischen?«
    Lockwood konzentrierte sich kurz. »Nein.«
    »Dann glaubt mir einfach. Das hier ist sie – die Seufzende Treppe! Nur dass es in Wirklichkeit eine Kreischende Wendeltreppe ist. Wir müssen hier weg, und zwar sofort!«
    Lockwood zögerte kurz, aber er war Profi genug, eine solche Warnung nicht einfach zu ignorieren. Er griff nach meiner Hand. »Komm, wir bringen dich nach unten. Vielleicht hören die Schreie dort auf. Vielleicht bist du von uns dreien die Einzige, die in der Lage ist …« Er unterbrach sich und umklammerte meine Hand so fest, dass es wehtat. Ich spürte, wie er schwankte. Das Kreischen war jetzt so laut, dass es irgendeine Schallmauer durchbrach und auch für weniger sensible Ohren als meine zu vernehmen war.
    Ich drehte mich nach George um. Er hatte die Augen weit aufgerissen, war stehen geblieben und sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte, weil ihn die Schreie übertönten.
    »Nach unten!«, brüllte Lockwood. Ich las ihm die Worte von den Lippen ab. »Nach unten!« Er hielt meine Hand immer noch fest und zog mich treppab. George kam hinter uns hergestolpert, beide Fäuste gegen die Ohren gedrückt. Die Kerzen flackerten wie verrückt, und unsere Schatten jagten über die Wände, als wir die letzten Treppenwindungen hinunterstürmten.
    Rings um uns erhob sich das Kreischen, drang aus den Stufen und Steinen selbst. Die Lautstärke war ungeheuerlich – schmerzhaft wie Peitschenhiebe –, aber das eigentlich Unerträgliche war die nackte Todesangst, in der die Schreie ausgestoßen wurden. Diese Furcht bohrte sich in unsere Schädel, bis sich alles zu drehen begann und Übelkeit uns ergriff. Vor ihr gab es kein Entkommen. Sie war überall um uns herum, bedrängte uns, wollte uns überwältigen …
    Abwärts und immer rundherum, rundherum … und plötzlich waren die Schatten, die neben uns herglitten, nicht mehr unsere eigenen. Sie trugen spitze Kapuzen und aus ihren weiten Ärmeln reckten sich dürre Arme. Abwärts, abwärts … halb stürzend, halb springend bahnten wir uns einen Weg durch die klebrigen

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