Lodernde Begierde
anhalten ließ.
»Du darfst mich Sadie nennen.«
Vierunddreißigstes Kapitel
E r kniff die Augen angesichts der Nachmittagssonne zusammen, die perlweiß durch die grauen Wolken drang, Wolfe taumelte aus der Schenke und wischte sich den faulig schmeckenden Mund am Ärmel ab. Er stützte sich mit einer zittrigen Hand am Türrahmen ab und spuckte auf das Pflaster. Die Bedienung hatte ihm erlaubt, seinen Rausch in ihrem Bett auszuschlafen, war heute Morgen jedoch ziemlich verärgert gewesen, als sie feststellen musste, dass er keinen Penny besaß, um ihr ihre Großzügigkeit zu vergelten.
Wolfe schwirrte der Kopf, es hämmerte darin und fühlte sich insgesamt so an, als würde eine Gruppe Arbeiter einen Galgen in seinem Schädel errichten. Das Bild einer Schlinge flammte einen unangenehmen Augenblick lang vor seinem geistigen Auge auf. Dann gelang es ihm, das Bild loszuwerden, indem er sich stattdessen an die Reize der bereits erwähnten Bedienung erinnerte.
Gestärkt durch solch erbauliche Gedanken gelang es ihm, das Kreuz durchzudrücken und sich gerade aufzurichten. Er fuhr sich mit beiden Händen durch die ungewaschenen Haare und strich sich dann über die Vorderseite seines Jacketts. Immer noch flach, selbst in seinem Alter. Paarundvierzig war mitten in seiner Blütezeit. Er hatte noch sehr viele Jahre vor sich, in denen er die Früchte seiner Arbeit genießen konnte. Aber bis es so weit war, musste er Stickley um einen Vorschuss an seinem Anteil anhauen. Da war allerdings noch das Problem mit dem Marquis von Brookhaven, um das er sich kümmern musste. Wenn er den Kerl kaltgemacht hatte, würde es keine Möglichkeit mehr für die Urenkelinnen von Sir Hamish Pickering geben, ihre Finger an auch nur einen Penny von dem alten Bastard zu legen.
Nicht ganz aufrecht und schlurfend trat Wolfe seinen Weg durch die sich windenden Gassen und Straßen von Shoreditch hin in eine besser angesehene Gegend an. Zu dumm. Der Gestank der mit Urin und Morast bedeckten Pflastersteine brachte ihn besser in Schwung, als der Geruch nach Blumen und Parfüm des feineren Lebens.
»Zurück zur Kanzlei«, murmelte er vor sich hin und gluckste dann. »Tick-tack, mein Alter, Zeit ist Geld.« Wer hatte das noch mal immerzu gesagt, bis Wolfe ihm am liebsten einen Cricketschläger über den Schädel gezogen hätte? Ah, ja. Mr Wolfe senior hatte es sich nicht nehmen lassen, seinem Partner, Stickley dem Ersten, ständig diese kleine Moralpredigt zu halten.
Die Vorstellung, sich für immer von Stickley zu trennen, zauberte ein glückseliges Lächeln auf Wolfes Gesicht und übermalte fast die geröteten Augen und den grünlichen Teint.
Als er den Schmutz und die Verkommenheit Shore-ditchs hinter sich gelassen hatte, blieb er vor dem Schaufenster eines Geschäfts in der Fleet Street stehen, um seine Halsbinde zu richten. O verdammt, wo war sie denn bloß? Er erinnerte sich daran, dass er sie irgendwann in den letzten Tagen benutzt hatte, um die Hände der Bedienung zu fesseln, er zuckte die Achseln. Die Schlampe konnte sie seinetwegen verbrennen, das war ihm egal. Schon bald würde er im Geld schwimmen, er könnte über fast fünfzehntausend Pfund Zinsen aus dem Pickering-Vermögen verfügen.
Stickley würde seine Hälfte nicht mehr benötigen.
Während Wolfe versuchte, seine zittrigen Finger dazu zu bringen, irgendetwas Sinnvolles mit seinem Kragen anzustellen, gingen zwei Damen hinter ihm vorbei. Er konnte ihre feinen Hauben und Schals sehen, die sich im Schaufenster spiegelten, und einen gelangweilten Lakaien, der ihnen ihre Einkaufsschachteln hinterhertrug. Wolfe zuckte vor Ärger. Damen waren Parasiten, sie waren sich zu fein dafür, mit anständiger Hurerei ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bald würde er genug Geld haben, um sich für den Rest seines Lebens mit willigen Huren und gleichgesinnten Freunden zu umgeben.
Derart genüssliche Gedanken ließen ihn beinahe das Gespräch der beiden Damen überhören, bis er den Namen »Edencourt« vernahm.
»O nein! Es ist ihr Geld, nicht das von Edencourt. Von fast dreißigtausend Pfund ist die Rede.«
Die andere Frau seufzte neidisch. »Kannst du dir das vorstellen? Ein junger, gut aussehender Herzog und dann noch diese ganzen Reichtümer. Ich nehme an, sie schläft in Nachthemden von Lementeur.«
Die erste Frau schnaubte nicht weniger neidisch. »Bei der Erbschaft kleidet sie wahrscheinlich auch ihre Zofe in Arbeitskleidung von Lementeur.«
»Ist es nicht romantisch? Ich habe gehört,
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