Lodernde Begierde
Verlobte, mit einer Waffe bedroht hat, und dass er meinen Bruder tagelang in einem Keller ohne Wasser oder etwas zu essen eingesperrt hat?«
Wolfe nickte rachsüchtig. »Genau!«
Stickley schüttelte erschöpft den Kopf. »Zu viel Whiskey, Wolfe. Ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis du den Verstand verlierst.«
»Was?« Wolfe blickte von einem Mann zum anderen. Er schwenkte frustriert die ungeladene Waffe. »Fragt Eure Frau, Marbrook. Sie war dabei!«
»Oh, ja, natürlich.« Stickley nickte und ging zur Küchentür. »Mylady, wenn ich Euch bitten dürfte?«
Als Lady Marbrook heraustrat, blieb Wolfe der Mund offen stehen. Dann lächelte er sie an, seine letzte Hoffnung. Sie wich vor ihm zurück und hob erschreckt die Augenbrauen.
»Rafe, mach, dass er damit aufhört.«
Lord Marbrook legte einen Arm um sie. »Es ist alles in Ordnung, Liebling. Mr Wolfe scheint hinsichtlich der Nacht, in der ich entführt wurde, etwas durcheinanderzubringen. Er würde gerne ein Detail klarstellen.«
Wolfe hob eine Hand und deutete auf Stickley. »In jener Nacht waren wir zu zweit, nicht wahr?«
Lady Marbrook blinzelte ihn an. »Zu zweit? Seid Ihr Euch sicher?«
Wolfe staunte mit offenem Mund. »Ihr habt uns beide gesehen!«
Sie zuckte die Achseln. »Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern. Ich hatte furchtbare Angst, wisst Ihr – eine hilflose Dame allein auf einer dunklen Straße mit einem Straßenräuber …« Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich bin mir nicht mehr sicher, was ich gesehen habe.«
Da war Wolfe alles klar. Stickley hatte mit ihnen ein Geschäft gemacht. Stickley lieferte Wolfe ans Messer und bekam dafür Schutz und womöglich noch finanzielle Zuwendungen.
Dann stürmte die Wache in den Raum, raue Männer, die fluchten und ihn herumschubsten, und begierig darauf waren, die Belohnung für seine Verhaftung einzustreichen.
Als Wolfe weggebracht wurde, konnte er durch die vergitterten Fenster des Karrens Stickley nur zornige Blicke zuwerfen wie ein gefangenes Tier.
Mrs O’Malley war eine sehr weise und tolerante Frau. Sie wusste, dass sie besser eine Weile keine weiteren Erklärungen von ihrer Tochter Patricia fordern sollte, die aus England zurückgekehrt war und behauptete, wegen nachlässiger Arbeit gefeuert worden zu sein. Als hätte jemals eines ihrer Kinder auch nur einen Tag seines Lebens nachlässig gearbeitet!
Ein Mann war daran schuld. Was sonst?
Mrs O’Malley hatte fünf Schwestern und drei Töchter. Sie kannte den Unterschied zwischen dem angespannten Gesichtsausdruck eines gebrochenen Herzens und der Verzweiflung, nachdem jemand versagt hatte.
Selbst die Jungs ahnten, dass jemand das Herz ihrer geliebten Schwester gebrochen hatte. Sie warfen sich besorgte Blicke zu und murmelten finstere Worte über den »verdammten Engländer« — aber außerhalb von Patricias Hörweite, denn das hätte sie nur noch blasser gemacht.
Mrs O’Malley trocknete sich nach dem Abwaschen die Hände und ging zu Patricia, die die Kartoffeln fürs Mittagessen schälte. Eine Familie mit sieben hart arbeitenden Mitgliedern konnte eine ganze Menge Kartoffeln verdrücken, aber Patricia hatte genügend für eine ganze Armee geschält.
Tief einatmend richtete Mrs O’Malley den Blick gen Himmel und hoffte auf Hilfe. Sie musste eine tiefe Wunde öffnen, aber wenn sie sie nicht rasch mit einer gehörigen Portion gesundem Menschenverstand ausbrannte, würden sie alle noch in tränennassen Kartoffelschalen ertrinken.
Dann sah sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung durch das kleine vordere Fenster. Jemand kam die Klippenstraße herunter, er ging mit den lockeren und leichten Bewegungen eines Mannes, der bereits einen weiten Weg hinter sich gebracht hatte. Ein Mann, in grober von Hand gesponnener Wolle und Leinen, ein groß gewachsener, gut aussehender Kerl, der seine Kappe weit aus dem Gesicht geschoben hatte, um den seltenen Sonnenschein zu genießen.
»Wer mag das wohl sein, was meinst du?«
Ihre Tochter trat neben sie ans Fenster und schaute pflichtbewusst in die Welt hinaus, von der sie sich zurückgezogen hatte. Dann hörte Mrs O’Malley ein Aufkeuchen wie das einer Frau, die mitten ins Herz getroffen war. Sie wandte den Kopf um und sah, dass ihre süße Patty, schon immer eines der hübschesten Mädchen im County Clare, noch nie so schön ausgesehen hatte.
Mrs O’Malley wandte den Blick wieder auf den Mann auf der Straße. »Das ist nie und nimmer der Engländer!«
Patricia lachte.
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