Loderne Glut
sinnlos gewesen wäre, ihr seinen Auftrag erklären zu wollen. Er öffnete den Brief, während Mrs. Soames dabeistand und ihm zusah. Hank wußte genau, daß es keinen Zweck hatte, sie zum Gehen aufzufordern.
Er runzelte die Stirn, als er zu Ende gelesen hatte. »Offenbar wünschen die Cauldens, daß ich zu ihnen komme und bei ihnen wohne. Sie wollen, daß ich ihr Gast bin, bis die Hopfenernte eingebracht ist.«
»Die führen irgend etwas im Schilde«, argwöhnte Mrs. Soames.
Hank rieb sich den Nacken. »Vermutlich wollen sie nur, daß ich sie kennenlerne und sympathisch finde. Sie denken wohl, wenn ich luxuriös untergebracht bin, werde ich nicht die Partei der Arbeiter ergreifen.«
»Gedenken Sie, diese Einladung anzunehmen?«
Er legte den Brief auf den Garderobentisch. »Ich gedenke, ihr liebenswürdiges Angebot abzulehnen. Ich habe zudem hier noch mit einigen Studenten an einem Projekt zu arbeiten, so daß ich erst wenige Tage bevor die Hopfenpflücker auf die Ranch kommen, in den Norden reisen kann.«
»Gut!« urteilte Mrs. Soames mit fester Stimme. »Dann setzen Sie sich jetzt in das Wohnzimmer und ruhen sich aus. Ich habe ein feines Dinner für Sie vorbereitet.«
Sie eilte wieder in die Küche, während er sich im Wohnzimmer das Jackett auszog, sich einen doppelten Whisky eingoß und dann hinsetzte, um die Abendzeitung zu lesen.
Mrs. Soames war nicht annähernd so gelassen in ihrer Küche wie Hank. Sie knallte einen Kuchenteig auf den Tisch und attackierte ihn mit dem Nudelholz. Zu viele Leute nutzten ihrer Meinung nach Dr. Hank aus. Sie schienen zu glauben, er könnte alles gleichzeitig vollbringen. Sie dachten, er könnte seine undankbaren Studenten zu Gelehrten machen, der stellvertretende Staatssekretär für Was-weiß-ich-was sein, Rennen fahren - der einzige Spaß, den er sich gönnte -und in seiner Freizeit noch Streiks verhindern. Das war mehr, als man von einem einzigen Menschen verlangen durfte.
Doch Dr. Hank war ein Mann, der die Hilfe für Menschen, die sich nicht in einer so glücklichen Lage befanden wie er, zu seinen Pflichten zählte. Und wußte sie nicht selbst, wie gut er tatsächlich war?! Vor sechs Jahren war sie noch verheiratet gewesen und hatte in Maine bei diesem schrecklichen Mann gelebt, der seit fast zwanzig Jahren ihr Gatte war. Er trank und verprügelte sie. Sie hatte überall Narben von seinen Mißhandlungen; doch keiner wollte ihr helfen, von diesem Kerl freizukommen. Ihre Familie sagte, sie sei eben seine Frau, die in guten und schlechten Tagen zu ihm halten müsse, und es wäre eben ihr Pech, wenn es nur schlechte Zeiten gäbe. Es täte ihnen zwar leid, wenn sie ihre Wunden sähen, aber sie könnten ihr da wirklich nicht helfen. Die Polizei wollte auch nichts unternehmen, und das Krankenhaus, in dem sie einmal eine Woche lang gepflegt wurde, nachdem er sie um ein Haar totgeschlagen hatte, schickte sie ihrem Ehemann zurück. Sie lief ihm dreimal weg, brachte es sogar einmal fertig, zweihundert Meilen zwischen ihn und sich zu legen; doch er fand sie jedesmal wieder. Sie hatte schon fast alle Hoffnung aufgegeben, als Dr. Montgomery, der in einem seiner Automobile vorbeikam, zufällig sah, wie der Alte Mrs. Soames schlug.
Dr. Montgomery hielt sein Auto an, sprang heraus, schlug ihren Mann ins Gesicht und brachte Mrs. Soames zu seinem Wagen. Mrs. Soames war zunächst voller Mißtrauen gegen den hübschen jungen Mann; doch dann fragte sie sich - was er schon von ihr verlangen konnte.
Er brachte sie in das Haus seiner Familie, die in einem großen weitläufigen Gebäudekomplex wohnte, der den Montgomerys schon vor der amerikanischen Revolution gehört hatte. Dr. Montgomerys Mutter, eine atemberaubend schöne Frau, war die Treppe heruntergekommen, hatte Mrs. Soames von oben bis unten betrachtet, dann gesagt: »Wieder so ein heimatloses Kätzchen?« und war dann weitergegangen.
Mrs. Soames war drei Monate bei dieser reizenden Familie geblieben und hatte sich dort so nützlich wie möglich gemacht, bis Mrs. Montgomery behauptete, sie könne ohne Mrs. Soames den Haushalt nicht mehr führen.
Dr. Hank half ihr, ihre Scheidung von Mr. Soames durchzusetzen, und um sicherzugehen, daß sie von ihrem geschiedenen Mann nicht mehr belästigt wurde, bat er sie, mit ihm zu gehen, wenn er auf die andere Seite des Kontinents zog, um in Kalifornien eine Stelle als Wirtschaftsprofessor anzunehmen. Mrs. Soames hatte seiner Bitte nur zu gern entsprochen, und diese letzten fünf Jahre waren die
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