Loderne Glut
bemühen, ihn für unser rüdes Benehmen zu entschädigen. Er muß von den Feldern ferngehalten werden. Wir müssen in diesem Jahr jeden Penny sparen, oder wir werden alles verlieren.«
»Das brauchst du mir nicht erst zu sagen«, erwiderte J. Harker bitter. »Er sieht mich nur nicht wie . . .«
»Mir«, korrigierte ihn Taylor automatisch, »er sieht dir nicht so aus, wie ein Professor aussehen sollte. Amanda wird . ..«
»Amanda! Du denkst doch wohl nicht daran, sie mit ihm allein ausgehen zu lassen!«
Taylors Gesicht zeigte kaum eine Gemütsbewegung. »Ich habe sie gut erzogen, und sie gehorcht mir. Sie wird uns jetzt, da wir sie brauchen, helfen.«
J. Harker blickte den Mann, der sein Schwiegersohn werden sollte, scharf an. Taylor schien von dem absoluten Vertrauen erfüllt zu sein, daß das Leben ihm jeden Wunsch erfüllen würde. Vor Jahren hatte Harker ihn dazu bewegen wollen, Amanda zu heiraten; aber Taylor wollte mit der Eheschließung so lange warten, bis sie »ausreichend ausgebildet« sei. Harker hatte nicht protestiert; doch nun dachte er, daß Taylor einen Fehler machte, wenn er Amanda allein mit diesem gutaussehenden jungen Burschen ausgehen ließ. »Ich glaube, du wirst das bereuen«, prophezeite Harker. »Sie hat das Blut ihrer Mutter in den Adern.«
»Ich kenne Amanda«, erwiderte Taylor. »Dieser Mann hat etwas . . . Unverschämtes an sich, das Amanda sehr mißfallen wird. Glaube mir. Sie wird uns von großem Nutzen sein.«
»Dein Vertrauen zu Frauen ist größer als meines«, brummte Harker und zermalmte die Zigarre zwischen den Zähnen.
Das Schlafzimmer, in das das Dienstmädchen Hank führte, war sehr hübsch. Es lag an der Vorderseite des Oberstocks und hatte Fenster nach Osten und Westen. Es hatte einen niedlichen kleinen Balkon, auf dem zwei Stühle aus Schmiedeeisen und ein winziger Tisch standen. Als er auf dem Balkon stand, blickte er auf das Dach der Veranda im Oberstock, die vermutlich zu einem anderen Schlafzimmer gehörte.
Sein Zimmer war dunkel und sauber und das Mobiliar von guter Qualität; doch es fehlte ihm dieses Anheimelnde, das Mrs. Soames seiner Wohnung zu geben verstanden hatte. Er musterte die Bücher im Bücherschrank, fand nichts darunter, was ihn interessierte, und fing an, seine Kleider aufzuhängen. Er hatte Marthas Angebot, ihm zu helfen, abgelehnt.
Er zog seine staubige Reisejacke aus, krempelte seine Hemdsärmel auf und begab sich zu dem Badezimmer, das Martha ihm gezeigt hatte. Die Tür des Badezimmers war geschlossen, und deshalb klopfte er erst an.
»Ja?« antwortete die Stimme einer Frau.
»Entschuldigung«, sagte Hank. »Ich komme später wieder.«
»Ich werde in dreieinhalb Minuten fertig sein«, verkündete die Frauenstimme.
Hank war bereits wieder auf dem Rückweg zu seinem Zimmer, als er das hörte. Eine Frau , die genau wußte, wie lange sie im Badezimmer bleiben würde? Hank verharrte mitten im Schritt und lehnte sich dann an einer Stelle gegen die Wand, die ihm gestattete, die Standuhr im Flur und die Badezimmertür gleichzeitig im Auge zu behalten.
Als der Zeiger um drei Minuten vorgerückt war, griff er in seine Tasche und spielte mit einigen Münzen, die er gegen sich selbst verwetten wollte, daß die Dame die versprochene Frist nicht einhalten würde.
Doch exakt dreieinhalb Minuten nach der Ankündigung öffnete sich die Badezimmertür, und heraus kam die nach Hanks Meinung absolut schönste Frau, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Groß, schlank - zu schlank große braune Augen, die ihn wachsam, traurig, verschreckt und neugierig zugleich ansahen. Üppiges kastanienbraunes Haar. Er registrierte nicht, was sie anhatte, denn er schien sie in mehreren Gewändern zugleich zu sehen - in mittelalterlichem Samt, napoleonischem Musselin, viktorianischem Taft, in Leinen aus der Zeit König Edwards.
Die Münzen, die er in der Hand gehalten hatte, rollten über den Boden.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte dieses Traumbild einer Frau.
»Ich . . . äh, ich . . .«, stotterte Hank hilflos.
Im nächsten Augenblick war die Vision vorüber und er wieder imstande, klar zu denken. Nein, sie war nicht die schönste Frau der Welt. Zugegeben - sie war sehr hübsch, aber objektiv betrachtet nicht so schön wie Blythe Woodley. Dennoch konnte er nicht aufhören, sie anzustarren.
»Sind Sie Dr. Montgomery?« fragte sie.
Allmählich gewann er wieder die Kontrolle über sich. »Ja, der bin ich, und Sie?«
»Amanda Caulden. Willkommen in unserem
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