Loderne Glut
Verlauf des Nachmittags an ihm feststellen?
Am Ende des Lunchs sagte Amanda: »Ich werde mich mit Ihnen um zwei Uhr fünfzehn im nördlichen Vestibül wieder treffen, Dr. Montgomery.«
Er meinte augenzwinkernd: »An welchem Ende des Vestibüls?«
»Wie bitte?«
Er lächelte sie an. »Ich werde genau um zwei Uhr fünfzehn dort sein und keine halbe Minute später.«
Als sie sich von ihm wegdrehte, runzelte sie die Stirn.
Aus irgendeinem Grund schien er sich über sie zu amüsieren. Sie ging nach oben, um sich zum Ausgehen herzurichten, und als sie wieder herunterkam, erwartete er sie bereits, an die Wand gelehnt, als wäre er zu müde, um gerade zu stehen. »Sollen wir aufbrechen?«
»Ihr Wunsch ist mir Befehl.«
Sie wußte nicht, warum; aber jedes Wort, das er sagte, schien auf sie zu wirken wie ein Reibeisen auf empfindlicher Haut. Der Chauffeur wartete schon auf sie. Dr. Montgomery zögerte, ehe er zu ihr in den Fond stieg.
Amanda bemühte sich sehr um ihn - oh, wie sehr sie sich bemühte! aber er schien ihr überhaupt nicht zuzuhören. Taylor hatte einen Geländeplan für sie gezeichnet, auf der die Route markiert war, die sie bei der Rundfahrt nehmen sollten, und hatte eine Liste von Fakten dazugelegt, die sie Dr. Montgomery vorzutragen hätte - Fakten, die sich auf die Kosten bezogen, die eine so große Ranch verschlang. Amanda hatte alles vorher auswendig gelernt. Sie sprach mit Dr. Montgomery über die Größe des bebauten Landes, die Zahl der Hopfenpflanzen und erzählte, wie viele Arbeiter hier beherbergt und verköstigt wurden. Sie zeigte ihm auch die übrigen Produkte der Farm: Feigen, Walnüsse, Mandeln, Mais und die Spargel- und Erdbeerfelder, die im Frühjahr abgeerntet wurden.
Aber er saß nur da, starrte zum Fenster hinaus und sagte kein Wort.
Sie zeigte ihm die Traubenfelder und die kleine Weinkellerei.
»Wie wäre es, wenn wir die probierten?« fragte er und zog eine Flasche aus einem Ständer.
»Meine Familie trinkt keinen Alkohol«, erklärte sie. »Die sind nur für den Verkauf bestimmt.« Sie drehte sich von ihm weg und fuhr fort, ihm die Fakten über die Weinkellerei vorzubeten.
»Sie sind ein kleines wandelndes Lexikon, wie?« lächelte er, als sie wieder in den Wagen stiegen.
Amanda hätte unter anderen Umständen diese Bemerkung vielleicht als Kompliment aufgefaßt, aber irgendwie paßte der Ton, in dem er das sagte, nicht so recht. Sie wußte nicht, was sie ihm darauf erwidern sollte.
Um fünfzehn Uhr einundfünfzig, wie es Taylors Stundenplan vorschrieb, gab sie dem Chauffeur Anweisung, sie wieder zum Wohnhaus zurückzubringen, so daß sie exakt um sechzehn Uhr dort eintrafen. Amanda schlug Dr. Montgomery vor, sich in der Bibliothek mit einem Buch zu beschäftigen, aber er hatte sie nur seltsam angesehen und gesagt, er wisse schon selbst, wie er sich die Zeit vertreiben könne. Nach diesen Worten hatte er das Haus verlassen. Später hatte Amanda dann seinen kleinen Zweisitzer ohne Verdeck die Straße zur Stadt hinunterrasen sehen.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und versuchte, sich auf ihr französisches Textbuch zu konzentrieren; doch ihre Hände zitterten. Er war ein Mann, der sie wahrhaftig aus der Fassung brachte. Sie hatte noch nie sonderlich gut mit Fremden umgehen können, aber dieser Mann versetzte sie in permanente Peinlichkeit. Sie wollte gar nicht daran denken, aber sie mußte sich eingestehen, daß er sie irgendwie in Rage brachte. Er verspottete sie nicht direkt, machte sich nicht einmal über sie lustig; aber irgendwie spürte sie, daß etwas Kritisches, Mißbilligendes von ihm ausging. Dies betraf nicht die Ranch — zuweilen hatte er sogar ein gewisses Interesse an den Dingen gezeigt, zum Beispiel an dem raschelnden Geräusch, das eine Hopfenpflanze von sich gab, wenn sie reif war -; aber sie spürte, daß die Kritik sich auf ihre Person bezog.
Sie verließ ihren Schreibtisch und ging zu dem kleinen Spiegel über ihrer Kommode. Was hatte sie an sich, das ihm nicht gefiel? Fand er sie körperlich abstoßend? Dumm? Sie hatte versucht, ein möglichst informativer Fremdenführer zu sein, und hatte mehrere Tage damit verbracht, sich die Fakten, die Taylor ihr aufgeschrieben hatte, einzuprägen. Dennoch hatte sie das Gefühl, versagt zu haben. Waren Dr. Montgomerys Studentinnen so viel klüger als sie? War sie im Vergleich zu ihnen geistig minderbemittelt?
Abermals wollte so etwas wie Zorn in ihr aufwallen, doch sie unterdrückte dieses Gefühl und kehrte
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