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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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vernachlässigt wie den zuvorkommenden Umgang mit ihm, ganz ganz dickes Minus! Und weil dann eh schon alles wurscht war, ist er ohne falsche Scham im Nachthemd und mitsamt den Bergschuhen an den Stinkern in die Kiste gehüpft, „Sind die Füße warm, ist alles warm!“, hat ihn der Alte auch gelehrt. Außerdem gibt es ja sowieso weit und breit keine, für die es sich lohnen täte, dass er die Schuhe auszieht (und sich wäscht), schon die vierte Nacht liegt er einsam in seiner Kammer herum wie der Jesus Christus am Karsamstag in seinem Grab, der Jesus Christus und er sind sich halt wirklich in sehr vielem sehr sehr ähnlich, auch wenn sie sich in manchem gar nicht nicht treffen – kann es denn wirklich sein, dass er der Sünderin verziehen hat?
    Eingeschnappt auf den Herrn Jesus und seinen Hang zur Nachsicht mit den Weibern, schiebt der Biermösel seine Erstkommunionsbibel auf dem Nachtkasterl zur Seite. Weg mit dem irreführenden Ratgeber und seiner verweichlichten Linke-Backe-rechte-Wange-Weltsicht! Lieber klammert er sich an die Kekserldose auf seinem Nachttisch, die neben der wohlgeformten Schnapsflasche das einzig wirklich probate Mittel gegen die weihnachtliche Einsamkeit ist, allerdings nur dann, wenn sie gut gefüllt ist, „Roswitha!“ schreit er in ihre Kammer hinüber, „Wo sind denn heute die Lebkuchen mit den Streuseln dran, die du mir ansonst immer verlässlich als Betthupferl herstellst, die sind doch viel tröstlicher als jeder Psalm!“
    35 Jahre lang, ärgert er sich über die Roswitha, hat er sie jeden Abbend in die Spur geschickt, damit sie den Schweinsbraten holt und ihm die Keksdose auffüllt, und immer hat sie pariert. 35 Jahre lang hat es keine wesentlichen Abweichungen von der Norm gegeben, einmalig, vorbildlich und brav war sie. Und heute?
    Leise rückt der Biermösel das Nachtkasterl ein Stückerl zur Seite und findet in der Wand – Weihnachtsüberraschung! – ein Loch, das er gleich am Anfang von ihrem Zusammenleben dort hineingebohrt hat, damit er immer den prüfenden Blick in ihre Kammer hat werfen und die Schrauben enger ziehen hat können, wenn vielleicht früher schon alles aus dem Ruder gelaufen wäre und sie – Gott behüte! – ihren eigenen Schädel entwickelt hätte. Was die gelungene Zweierbeziehung anbelangt, schwört der Biermösel immer noch mehr auf den Kontrollzwang als auf die lange Leine.
    Was der Biermösel aber jetzt beim ersten prüfenden Blick hinüber in die Nachbarkammer erkennen kann, macht ihn nicht wirklich schlauer. Er sieht, wie die Roswitha in ihrem Bett liegt, vier Honigwachskerzen anzündet, irgendwas in ihren Kellnerinnenblock hinein kritzelt und dann das Transistorradio ganz eng an sich schmiegt, und dann hört er mit ihr – Hölle auch! – den Shubidu Jack in „Schmalzmusik auf Bestellung“, einem nachmitternächtlichen Special für die einsamen Herzen auf Sender Radio Schmalz , das er gar nicht leiden kann, weil es ihn an seine eigene Einsamkeit erinnert.
    Der Biermösel glaubt jetzt in ihren verweinten Augen eine gewisse Sehnsucht nach einem erfüllteren Leben als dem an seiner Seite zu erkennen, so wie er sich immer nach einem erfüllten Leben in der Bierfahrerei und Vielweiberei gesehnt hat, und er fragt sich ein bisserl bitter:
    Was passt ihr denn nicht an ihm, dass sie sich nach einem anderen Leben sehnt, wo doch für eine Frau letztlich nichts erfüllender sein kann, als an seiner Seite für ihn da zu sein?
    Bis heute hat er ja das Gefühl, dass sie trotz seiner naturgegebenen männlichen Überlegenheit im geschwisterlichen Haushalt nie ganz verstanden hat, dass sie den falschen Weg einschlägt, wenn sie nicht brav in seinen Furchen tritt. Aber du meine Güte, so sind halt die Weiber, eigensinnig und uneinsichtig sind sie, schwach und ohne festen Charakter. Er könnte weinen, wenn er an die Roswitha und ihre Schwächen denkt samt ihrem ungefestigten Charakter. Sag den Weibern, sie sollen den geraden Gehweg an deiner Seite marschieren, schon kratzen sie mit ihren langen Fingernägeln Serpentinen in die Landschaft, es ist einfach furchtbar mit den Weibern und ihrem Dickschädel!
    Wie sich der Biermösel beleidigt mit dem Arsch zur Wand dreht, fährt die Roswitha natürlich erst recht die Lautstärke von ihrem Radio hoch, und jetzt kann er sich das Gewinsel vom Shubidu Jack auf Vollgas anhören, scheinbar ist ihr der ein bisserl ans Herz gewachsen, ihm aber gar nicht, weil: Was kann denn der Shubidu Jack, was seine Lieblingsband, die

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