Loecher, noch und noecher
hört er auf einmal die Discowirtin sagen, die auf einen Sprung vom Tagescafe herübergeschaut hat, um die Wetteinsätze selbst zu kassieren, weil sie sich auch kein Personal mehr leisten kann. „Hörst du bitte endlich auf mit dem Plastikchristbaum zu plaudern, das ist ja wirklich peinlich.“
Da erschrickt der Jackpot Charlie. Er schiebt verschämt das halbvolle Fluchtachterl beiseite, das das eine zuviel gewesen sein mag, und stellt sich den Pelzkragen von seinem neuen Wildledermantel hoch, bevor er den Kopf tief hinein steckt.
„Schreib alles auf, Angelika“, sagt er kaum hörbar zur Discowirtin, „ich komm dann am Monatsende und zahl alles auf einmal.“
„Jaja“, murmelt die gachblonde Discowirtin, die immer nachsichtig war mit ihren verlorene Söhnen, und mit dem Jackpot Charlie war sie immer am nachsichtigsten, weil der von allen der verlorenste ist.
Als er hinaustritt in die allzu kalte Luft, wird ihm auf einmal ganz schlecht. Schlecht wegen dem vielen Wein, den er gesoffen hat, und schlecht wegen seinem verpfuschten Leben, das hinter ihm liegt. Er bückt sich zur Mülltonne hinunter und bleibt dort ganz lange stehen.
„I‘m born to lose“, sabbert er den alten Motörhead-Heuler vor sich hin. Und dann fragt er sich, ob nicht trotz allem seine glücklichste Zeit die im Waisenhaus gewesen ist.
Schneeflöckchen, Weißröckchen
Nachdem die Roswitha letztlich doch noch das Düdldüdldü auf Radio Schmalz und das elende Schmachten vom Shubidu Jack abdreht hat und er ihr „Zeit wird es, du Judas Ischariot!“ hinüber geschrieen hat, da ist es dann auch schon wieder halb fünf Uhr in der Früh gewesen. Und dann hat der Biermösel endlich weit draußen in den tiefen Wäldern den Lindbichler gehört, der mit seiner großen Schaufel vorne dran über den rauen Asphalt gerattert ist und noch ein paar Tonnen Schnee zur Seite geräumt hat, bevor er seinen Unimog bei Einbruch der Dämmerung wie gewohnt hinauf zu seinem Kabuff oben am Pass gelenkt hat, wo er sich den ganzen Tag über vor den Strahlen der Sonne hinter dicken Vorhängen versteckt uns an seinem U-Boot bastelt, jaja der Lindbichler, denkt sich der Biermösel immer wieder über den Lindbichler, der hat es auch nicht leicht.
Der Biermösel aber kann ihm nicht genug danken, dass er letztlich kein U-Boot-Kapitän geworden ist, sondern Schneeräumer. Wenn ihn nämlich in diesen eiskalten und pechschwarzen Winternächten voller Einsamkeit und Anfechtung der Liebeskummer und der Schmachtgesang vom Shubidu Jack aus dem Zimmer von der Roswitha im Bett rotieren lassen, dann ist es nur das ferne Donnern vom Lindbichler seiner Schneeschaufel, welches der Wind früher oder später zu ihm in die Kammer und dort an sein Ohrwascherl trägt, das ihn letztlich doch noch einschlafen lässt.
Nach all der Schlaflosigkeit und den bitteren Erkenntnissen die Damenwelt betreffend, hätte er letzte Nacht aber sogar in Kauf genommen, wenn er überhaupt nicht mehr aufgewacht wäre, weil er sich im Grunde damit abgefunden hat, dass die Schöpfung halt ihn überraschend dazu auserwählt hat, dass er das Kreuz der Welt alleine trägt, aber Vorsicht, Biermösel, schon wieder komplett falsches Fest!
Stark übermüdet sitzt der Biermösel jetzt wieder auf seinem Musentempel am Gendarmerieposten in Aussee herüben und versucht, sich doch noch an die vorweihnachtliche Stimmung anzudocken. Er nimmt den Duftbaum von der Anni herunter und schaut ihn an wie der Urmensch das Feuer. Er dreht ihn und wendet ihn und beschnuppert ihn interessiert. Aber in die gewisse weihnachtliche Stimmung will ihn auch der nicht bringen, ein Duftbaum ist halt kein Christbaum, und speziell der von der Anni weckt sowieso wieder nur wehmütige Erinnerungen in ihm.
Er steckt sich den Duftbaum tief in die Tasche von seinem Wetterfleck und verabschiedet sich innerlich komplett von der Anni, man muss auch mit Würde verlieren können, und „Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling“ singen nicht umsonst die Radinger Spitzbuben, die ein anderes Kaliber sind als der Shubidu Jack. Der Biermösel zwitschert als Lebewohl eine Flasche Marillenbrand vom Tötschinger auf die Anni und dann schluckt er noch eine Schachtel mit den Tabletten vom Doktor Krisper, gelb wie die Sonne müssen sie sein. Aber selbst mit dem kombinierten Cocktail kommt bei ihm keine Stimmung auf, außer die vielleicht, welche der Eskimo oben im Norden empfindet, wenn er sich ein Loch ins Eis bohrt, eine Schnur hinein hängt und dann ein
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