Loecher, noch und noecher
und sich dann auf ihn ausreden täte: „Der hat damit angefangen!“
Der Biermösel hat jetzt aber sowieso weder Zeit noch Gelegenheit, dass er den Eifersuchtsmord ausführt, weil schon wieder die depperte Seebachwirtin hereingestiefelt kommt, aber nicht, wie er es eventuell noch ertragen könnte, mit ihrer wiedergefundenen Goldhaube am Schädel und einer Entschuldigung auf den Lippen für die Sauerei, die sie dauernd mit ihren zotteligen Stiefeln auf seinem Holzboden anrichtet, sondern mit einer neuen depperten Geschichte.
„Biermösel, hör zu“, schreit sie hysterisch, „Ich war gerade in der Kirche.“
„Und dann?“
„Dort hab ich den Herrn Pfarrer getroffen.“
„Und dann!“
„Der ist beim Opferstock gestanden.“
Herrgott, denkt sich der Biermösel, bald geht ihm wirklich die Hutschnur auf, weil auch die so schlecht erzählen kann, also mit Nachdruck:
„Und weiter, Depperte!“
„Der Opferstock war ausgeräumt. Aber nicht wie sonst vom Herrn Pfarrer selbst (Anm. Biermösel: der dann immer das ganze Geld in den Ausbau von seiner Schnapsnase investiert!), sondern von Unbekannten aufgeschweißt und aufgesägt.“ „Und jetzt?“
„Jetzt musst du dich darum kümmern, Biermösel!“
Da seufzt der Biermösel tief und denkt sich:
Eher wird er die Buche mit der Tanne versöhnen, bevor er mit der Seebachwirtin jemals auf einen grünen Zweig kommt, da trifft nämlich das (blöde) Schaf auf den (schwächelnden) Löwen, wenn die zu ihm herein geschneit kommt, da ist der Mord in der Komplettrage nicht mehr weit, wenn die ihren Schnabel aufmacht, da kann er sich sogar vorstellen, dass er nicht nur den Eifersuchtsmord salonfähig macht, sondern auch das Massaker im Affekt, also wieder einmal:
„Dort ist die Tür, Depperte!“
Melancholie im Dezember
Schon ein wenig hinfällig, aber immer noch mit einem Hauch Grandezza, der von ihrem vergangenen Glanz zeugt, in ihren schwarzen Pumps und dem viel zu kurzen Ledermini, schreitet die gachblonde Discowirtin zur Ausschank in ihrem Tages- und Nachtcafes Chez la blonde, wo sie sich einen weiteren Espresso mit einem weiteren Schuss Brandy genehmigt. Die Uhr an der Wand zeigt halb vier Uhr morgens, aus der Jukebox hört sie den Keith, wie er die ersten Akkorde anschlägt, und dann fängt der Mick „Angie“ zu singen an, die wohl persönlichste Nummer, die er je für sie geschrieben hat, damals am Beginn vom Rock‘n‘Roll-Wahnsinn, als ihre schwarzen Strümpfe noch keine Löcher hatten und ihre Zehen noch nicht verknöchert und gefühllos waren, weil sie ein Leben lang das falsche Schuhwerk getragen hat. Aber soll sie jetzt noch auf Gesundheitsschuhe umsatteln, sie, die Königin der Nacht?
Die Zeit des Überganges ist ihr die liebste, die Zeit des Zwielichtes, wo die Nacht noch nicht weiß, wie sie abrechnen soll, und der Tag noch keinen Plan hat, welches Menü er den Menschenkindern auftischen wird. Aber heute fällt es auch ihr immer schwerer, die Augen offen zu halten, sie schläft ja nie, seit 30 Jahren nicht mehr. Wer rastet der rostet, war immer ihre Devise, wenn sie schlafen wollte, hätte sie reich heiraten können. Also zählt sie noch einmal die Tageslosung in den Geldbörsen (es ist nicht viel) und gibt sie in den Tresor (er ist nicht groß). Dann holt sie ihr Säckchen mit dem schwarzen Afghanen hervor, das sie in ihrem Strumpfband bunkert, und denkt dabei ein ums andere Mal wehmütig an den Mick und an die Zeit, als noch der Glanz sie umgab und nicht die Patina. Melancholie also, jetzt im Dezember.
Die Discowirtin war immer Unternehmerin, sie war es gern. Heute freilich hat sie abgewirtschaftet, vorbei ist die Herrlichkeit des freien Unternehmertums. Sie kann ihre Gas- und Stromrechnung nicht mehr bezahlen, die Auftragsbücher in ihrem Puff sind leer, nur ab morgen Nachmittag bis einschließlich 25. hat der Konzernlenker Raff-Kahn aus Deutschland noch die Franzi Kubelik mit dem Zwetschkenkompott-Einlauf-Package um € 1.127 all inkl. als Hausbesuch in seinem Flachdachneubau am Gebirgskamm gebucht, ein richtiges Schwein ist der. Aber der Lindbichler wird seine Franzi im Unimog hinaufbringen und wieder abholen, da kann ihr nichts passieren. Dann wird sie die Franzi aus ihrem langfristigen Vertrag entlassen, und die zwei sollen glücklich werden, wie es ihrer beider Wunsch ist.
„Ach!“, seufzt die Discowirtin. „Das Glück!“
Ansonsten? In ihrer Disco Blondi geht wochentags gar nichts mehr. Die Wirtschaft befindet sich in der Talsohle,
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