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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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streicht die Discowirtin jetzt mit ihren schlanken Fingern über die Bilder an der Wand, die vom vergangenen Glanz zeugen, jetzt in der Stunde der einsamen Herzen, die voller Erinnerungen ist. Heute sind sie nur noch Zucker, diese Erinnerungen, aber die Discowirtin hat auch geweint, geweint hat sie oft. Bei ihr ist die Liebe ja nie lange geblieben, ach, oft zog sie viel zu schnell wieder weiter. Und am Heiligen Abend war dann sowieso nie einer da, den sie hätte überreden können zu bleiben. Am Heiligen Abend waren dann immer alle zu Hause, die sie während des Jahres begehrt haben, all die Ehemänner, die zwar nach den Weihnachtsfeiern immer ihren Schwanz hineinstecken wollen, aber spätestens zu Weihnachten immer durch die lange Gerade im Silbertannenwald heim zu ihrer Waltraud (zur Gertraud, Edeltraut, Rotraut, zur Gisela, zur Annemarie, zur Ursula und wie ihre Konkurrentinnen alle heißen, die allesamt brave und duldsame und dumme langweilige Ehefrauen sind, freilich verheiratete Ehefrauen, was sie ihnen immer geneidet hat) in die heimeligen Refugien und verschworenen Trutzburgen der Eheleute geflüchtet sind, die sie nie hat kennen lernen dürfen, zu Weihnachten wollen auch die größten Schweine immer nur an den heimeligen Herd und zu den Wurschteln mit Saft. So versaut können die Ehemänner gar nicht sein, dass sie nicht immer wieder selbst nach dem dreckigsten Rudelfick ihre Füße in die Filzpatschen zu Hause bei Mutti stecken müssen, und immer hört sie die gleichen elenden Ausreden: „Die Gattin zum Arzt! Die Kinder in die Schule! Das Auto in die Werkstatt! Den Rasenmäher zum Service!“
    Die Discowirtin kann es nicht mehr hören, das Hohelied der glücklichen Familie. Sie möchte weinen, wenn sie daran denkt, dass sie als Königin der Nacht immer nur das fünfte Rad am Wagen war, und heute, auf den Monat genau 35 Jahre nach Altamont, steht sie auch nicht mehr da wie die blühende Pfingstrose. Außer den zwei unglücklichen Gendarmen sowie dem Bürgermeister und dem Jackpot Charlie sind ja keine Männer mehr auf dem Markt, und weder die zwei unglücklichen Gendarmen noch den Bürgermeister und schon gar nicht den Jackpot Charlie möchte sie haben, auch nicht geschenkt und nicht einmal zu Weihnachten. Also muss auch sie sich immer öfter den alten Polster zwischen die Schenkel legen und die Jukebox lauter drehen, damit sie einen Hauch von der Wärme und Geborgenheit einer Familie spürt, die ihr nie vergönnt war.
    Die Stunden hin zum Erblühen eines neuen Morgens und erst recht die Tage um Weihnachten gehören überall auf der Welt den Familien. Da schlüpfen die kleinen Kinderlein in die Betten der Eltern, und man möchte meinen, dass die Familie doch noch nicht ganz verloren ist. Sie aber hatte nie jemanden an ihrer Seite, wenn die Weihnachtsglöckchen läuteten, seit der Mick sie nach der würdelosen Schlägerei mit dem Biermösel verlassen und für den Affenmenschen dann „Street fighting man“ geschrieben hat, sie hatte nie einen, der sie hielt und tröstete und ihr die schmerzenden Füße massierte und zu ihr sagte: Ich freu mich auf Weihnachten, mein kleiner Liebling, das Leben ist schön mit dir, wir wollen gemeinsam alt werden.
    So wie das der Lindbichler immer zur Franzi Kubelik sagt, wenn sie sich für ihn schick macht und ihr Kleidchen anzieht, das sie schon zur Erstkommunion getragen hat, seither ist sie ja nicht mehr gewachsen. Wenn der Lindbichler dann kommt, hört sie ihn schon von weitem, und sie fährt mit dem Lift herunter und holt ihn zu sich hinauf.
    „Welcher Stock?“ fragt sie.
    „Erster Stock“ antwortet er.
    Dabei steht die Franzi auf dem kleinen Schemel und drückt den Knopf, der den Lift knarrend in Bewegung setzt. Wenn die Franzi selbst nicht gebucht ist — und sie ist wie alle anderen auch praktisch nie gebucht dann darf sie im Etablissement der gachblonden Discowirtin Liftboy spielen, warum denn auch nicht?
    Als das arme Kind das Zwergenweitwerfen und all die perversen Bondage-Spiele in einem Puff in der großen Stadt nicht mehr ertragen konnte, weil praktisch kein Stück ihrer einstmals makellos weißen Haut mehr ohne blaue Flecken und kein Knochen ungebrochen war, ist sie aufs Land zurückgezogen, hat ihre Ersparnisse zum Jackpot Charlie auf die Ackerbau- und Viehzuchtbank gelegt und bei ihr angefragt, ob sie in ihrem Dorfpuff vielleicht auf Einlauf umsatteln könnte, „geht das?“
    „Freilich!“ hat die Discowirtin geantwortet und wollte sie umstandslos als

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