Loecher, noch und noecher
wenigstens jeder, dass der Biermösel zwar schwach ist, aber immer noch pädagogisch. Und nichts eignet sich besser als das Wartezimmer von einem Doktor, um die Nachricht möglichst schnell und vielstimmig in die ganze Welt hinaus zu tragen, „und jetzt gehet hin in Frieden.“
„Der Wollatz?“, fragt der Biermösel schwach, wie er schließlich die Ordination vom Doktor Krisper betritt und sich vor ihm in den gepolsterten Sessel fallen lässt. „Der Wollatz? Wo?“ „Der Wollatz!“ sagt der immer fröhliche Doktor Krisper, und dann schlägt er die Hände über seinem Kopf zusammen. „Ist er gekommen zu mir vor zwei Tage, du eh wissen, seine Augen schlecht, sein Kreuz schlecht, seine Zähne schlecht, seine Knie schlecht, kurz: seine Ohren schlecht, seine Hüften schlecht, sein Magen schlecht, kurz: das Kreuz auch nicht gut, die Blutwerte auch nicht, der Blutdruck auch nicht, kurz: „Und weiter?“ seufzt der Biermösel und denkt sich: Der kann wirklich ganz schlecht erzählen.
„Will der Wollatz haben Stempel von mir für Verlängerung von Führerschein“, fährt der Doktor Krisper fort, „also sage ich: Bitte, Wollatz, kriegst du das Stempel für deine Lappen, aber bitte, zu Sicherheit von andere Leute in Aussee: Bitte bitte bitte kauf dir neue, sichere Auto! Sagt das Wollatz: ,Certo, facio io.’ Was heißt wörtlich: Sicherlich, mache ich’.“
„Und weiter?“, fragt der Biermösel, wie er schon fast am Einschlafen ist. „Und weiter?“
„Na hab ich ihm empfohlen: Kenne ich Händler oben in Nang-Pu, was heißt er Krispov und was ist Bruder von mir und gebürtig auch aus Bulgarien, und kaufst du dir von Vorschuss, was hast du kassiert von Autokonzernchef aus Deutschland für geplante Um- und Ausbau von Flachdachneubau oben an Gebirgshang, neue geländetaugliche SUV von Konzern von genau selbe Konzernlenker aus Deutschland, was ist groß wie ein Panzer und schwer wie ein Schiff und was hat 14 Airbags vorne und was hat Airbag oben, unten, hinten..-
- „Und weiter!“
- „Und was hat echt superspitzenmäßiges 1-A-GPS mit Stimme von Dagmar Koller drinnen, was lässt fahren Auto praktisch wie von alleine, kann nix mehr passieren.“
„Da hast du“, sagt der Biermösel müde und gerädert von den langatmigen Ausführungen vom Doktor Krisper, „da hast du leider nicht den Funken von einer Ahnung, was alles passieren kann, wenn ein 96jähriger Zitteraal, Alzheimerpatient links, Parkinsonpatient rechts, blind wie eine Kuh, taub wie eine Maus, mit seinem Auto auf einer Straße im Ausseerland unterwegs ist, frag nach beim Heiligen Christophorus!“
Aber dann hat er nicht mehr die Kraft, dass er ins Detail geht. Er will nur noch wissen, wo der Wollatz jetzt ist, also fragt er: „Und weiter?“
„Ist er nicht gekommen seither, und kann ich ihm nicht geben seine Tabletten, was sind blau wie der Ozean und was haben beruhigende Wirkung auf seine Hyperaktivität und Nervosität und Aufgeregtheit, ist er verschollen?“
„Verschellt!“, korrigiert der Biermösel den Doktor Krisper mit dem strengen pädagogischen Blick, den er immer in der Schule aufsetzt, weil er gerne ein bisserl oben auf ist im Umgang mit denen, die zugewandert und der schönen heimischen Sprache nicht so mächtig sind wie er. „Verschellt heißt das, nicht verschollen!“
Dann schläft dem Biermösel endgültig das Gesicht ein. Er rutscht auf seinem Sessel immer weiter hinunter und schaut den Doktor an wie die Kuh das Tor. Er seufzt tief und atmet schwer, und auf einmal fällt ihm auf, was der für schöne eindringliche Augen hat und was für einen stechenden Blick, mit dem er ihn fixiert. Dem Biermösel wird auf einmal ganz warm auf seiner Stirn, wie er den Quacksalber wie von fernen Welten säuseln hört:
„Mach dich frei, Biermösel! Mach dich frei.“
Dem Doktor Krisper reicht es nämlich schön langsam. Bis heute hat sich trotz intensivster Werbebemühungen der Bundesregierung kein einziger der hier registrierten Hochrisikopatienten bei ihm zum Kamin-Kehren gemeldet, und auch die Androhung der Zusendung des Weihnachtsliedbuches der Parteigranden hat keine Trendwende eigeläutet. Für einen frisch bekehrten Wirtschaftsliberalen wie ihn ist das natürlich keine gute Bilanz, da war es früher in Bulgarien besser, dort sind die Vorsorgeuntersuchungen notfalls in den Gefängnissen durchgeführt worden, in die alle geworfen worden sind, die sich ihr verweigert haben. Manchmal trauert auch der Doktor Krisper respektive
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