Löffelchenliebe (German Edition)
Moment, seine orangefarbene Kleidung ist gar keine Müllmannkluft, sondern … ein Schlafanzug ? Als ich näher komme, lässt er die Mülltonne fallen und rennt davon. Seine Füße sind nackt und seine langen weißen Haare bäumen sich im Wind.
Zwei
A m Ende des z weiten Messetages stehe ich erschöpft in der Damentoilette am Durchgang von Halle drei zu Halle vier und halte meine schweißnassen Achseln unter das heiße Gebläse des Händetrockners. Vierzehn Termine habe ich hinter mir, mein Mund ist vom vielen Reden dauertrocken, und in meinem Kopf pulsiert es. Die Tür geht auf, ich löse mich schnell aus der Verrenkung, und da mein linker Arm noch etwas ziellos in der Luft schwebt, ordne ich in einer ausladenden Geste ein paar Haarsträhnen. Ich kann der Neuankommenden ja schlecht mit erhobener Hand zuwinken: Grüß Gott, hereinspaziert ! Nein, nein, wir kennen uns nicht, trotzdem freue ich mich, dass Sie den Weg hierhergefunden haben. Winke, winke, willkommen auf dem Damenklo. Die Frau verschwindet in der Toilettenkabine, und die Mission trockener Rollkragenpulli wird zu Ende geführt. Geruchscheck: na ja.
Ein allerletzter Termin, dann geht’s zurück nach Hamburg. Ich wasche mir die Hände, zupfe an meinem Flatterrock – von wegen esomäßig – und setze mein Business-Gesicht auf. Bin immer wieder überrascht, wie anders ich dann aussehe.
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten – oder lieber etwas Kühles ?« Mein Gegenüber blickt auf die Uhr. »Eigentlich könnten wir auch schon den Abend einläuten, was meinen Sie ? Ein Gläschen Weißwein ?«
»Da sag ich nicht Nein.«
In wohliger Erwartung lehne ich mich zurück und schlage die bestiefelten Beine übereinander, während mein Gesprächspartner die Getränke organisiert. Endlich sitzen ! Ich kann genau spüren, wie die Hühneraugen an meinen kleinen Zehen wachsen, und mein Rücken hat sich auch schon mal besser angefühlt. Am liebsten würde ich auf dem Kunstrasen nebenan kurz einen Yoga-Katzenbuckel machen.
Der Stand, an dessen Rand ich sitze, nimmt fast ein Drittel der Halle ein. Riesige alpenromantische Plakate zieren die Wände, rechts von mir befindet sich eine kleine Bühne in Bergform, lebensgroße Pappkühe dienen als Prospekthalter, dazwischen verteilen Hostessen in Dirndln und fesche Jungs in Lederhosen Brezeln.
»Tolle Deko haben Sie«, sage ich, als Herr Dings – ein unauffälliger Blick aufs Namensschild –, Herr Dahl, ach ja, und ich uns zuprosten. Freudig registriere ich, dass er eine kleine Karaffe mit Nachschub vor mir abstellt.
»Vielen Dank, Frau Brix. Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Wir haben lange überlegt und uns schlussendlich doch für die bekannten Symbole entschieden.«
Ich nicke und betrachte das wogende Dekolleté eines Dirndlmädchens, das gerade unter einer der Pappkühe einen Flyer aufhebt und dabei aussieht, als wollte es die Kuh melken.
»Stimmt, da weiß jeder sofort, worum es geht.«
»Genau, das haben wir uns auch gedacht«, nickt Herr Dahl und folgt meinem Blick. Er räuspert sich. »Ich freue mich sehr, dass Sie kommen konnten. Bei so erfolgreichen Reisejournalisten wie Ihnen gleicht es ja einem Sechser im Lotto, einen Termin zu bekommen.«
»Ich, also … na ja.«
Heiß ist es hier.
»Ich habe Ihre Artikel in der Geo Saison und im Merian gelesen, über die etwas anderen Wellnesshotels in Europa, die Kaffeekultur in Toronto und über Schwedens wahres Bullerbü. Vor allem mit Ihren Betrachtungen zu Schweden, wie Sie da hinter den Klischeevorhang geguckt haben – Chapeau, liebe Frau Brix, chapeau !«
Ich spüre, wie ich rot werde, und fächere mir mit der Pressemappe Luft zu.
»Und deshalb wäre es uns eine Ehre, wenn gerade Sie sich unserer bescheidenen Alpenregion annehmen würden.« Er wirft mir einen bedeutsamen Blick zu und faltet die Hände vor seinem Bauch. »Na, ich kann Ihnen ja direkt mal ein bisschen was über den WalkThirty-Six erzählen. Dazu möchten wir Sie nämlich einladen. Was wir uns so vorgestellt haben, wen wir damit ansprechen wollen. Und natürlich wie ein möglicher Medienansatz aussehen könnte. Und vielleicht könnten Sie dann kurz sagen, was Sie als Profi davon halten.«
»Gerne.« Ich nippe an meinem Wein, rutsche tiefer in den sehr gemütlichen Sessel und bin mit einem Mal versucht, die Augen zu schließen. Herrlich wäre das, einfach alles auszublenden, das Neonlicht, die abgestandene Luft, das Stimmengewirr. Nur der Sessel, der Wein und ich …
»Also«, Herr
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