Löffelchenliebe (German Edition)
wieder aufgestanden. Zum Glück hat Rosalie unterwegs angerufen und angeordnet, dass ich in dieser Verfassung augenblicklich ins Rosalies zu kommen hätte, andernfalls würde sie bei mir zu Hause auflaufen und meine Bettdecke aus dem Fenster schmeißen.
Es regnet in Strömen, als ich St. Pauli umrunde, um nicht an Davids Haus vorbeifahren zu müssen. Vor mir verstopfen Radfahrer in bunter Regenkluft die Straße, im Schneckentempo krieche ich hinter ihnen her.
Im Rosalies wartet ein dampfender Tee aus frischer Minze auf mich. Dankbar lasse ich mich am Tresen nieder und wärme meine Hände am heißen Glas. Rosalie sprüht Glasreiniger auf die großen gelben Christbaumkugeln, die auf der Bar montiert sind, und poliert sie anschließend mit einem Tuch.
»Du warst also bei Richard«, stellt sie unumwunden fest.
Ich nicke.
»Warum ?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Und er hat dich nicht erkannt ?«
Ich schüttele den Kopf.
»War das schlimm für dich ? Übrigens, Schulterzucken lasse ich als Antwort diesmal nicht durchgehen.« Sie grinst und lässt sich auf den Barhocker neben mir fallen, auf Weints Stammplatz.
»Ich weiß nicht. Irgendwie hätte ich nicht damit gerechnet, dass ich so schnell aus seiner Erinnerung gelöscht bin. Aber besonders schlimm war es, als ich gesagt habe«, ich muss schlucken, und Rosalie streichelt mit der freien Hand meinen Arm, »als ich gesagt habe, dass ich Davids Exfreundin bin.« In meiner Brust zieht sich etwas zusammen.
Rosalie nickt verständnisvoll. »Du vermisst ihn, oder ?«
Ich nicke und schniefe. »Und sein Bild auf meinem Computer ist auch nicht mehr da.« Ich schniefe noch ein bisschen mehr.
Rosalie gibt Harald ein Zeichen, dass er die Musik etwas leiser stellen soll.
»Wie lange seid ihr jetzt genau getrennt ?«
»Einen Monat und dreizehn Tage«, antworte ich, ohne zu überlegen.
»Hm«, macht Rosalie und trinkt einen Schluck von ihrem Kaffee.
»Und er meldet sich gar nicht mehr bei mir.«
Rosalie sieht mich nachdenklich an. »Ganz ehrlich, Anna, warum sollte er auch ? Du hast ihn ziemlich gemein abserviert. Und damit meine ich nicht das Schlussmachen, sondern seinen Brief, den du ungelesen an ihn zurückgeschickt hast. Und deine fiese SMS . Er muss doch glauben, dass du einen anderen hast. Hast du ja auch. Wenn, dann müsstest du dich bei ihm melden. Das solltest du dir aber genau überlegen.«
Ich ziehe einen Minzstängel aus meinem Glas und zupfe ein Blatt ab. »Aber es hat sich ja gar nichts geändert. Ich will immer noch Kinder, und David will keine.«
Rosalie reißt ebenfalls ein Blatt von meinem Minzstängel ab und zerreibt es zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann greift sie über die Bar nach einer Serviette.
»Ich stell dir jetzt mal eine vielleicht etwas anmaßende Frage, okay ?«
Ich nicke.
»Wieso genau willst du eigentlich Kinder ?«
Hui ! Die Frage hängt groß und irgendwie unheilvoll im Raum. Im ersten Augenblick will ich rufen: Weil ich halt will !, fühle mich aber schon bei dem Gedanken daran wie Klein-Anna, die wütend mit dem Fuß aufstampft und kreischt: Ich will aber einen Flutschfinger !
Ich trinke einen Schluck Tee und sehe mir ausgiebig das beschlagene Glas an.
»Das habe ich mich so konkret noch gar nicht gefragt«, setze ich an und unterdrücke ein Schulterzucken. »Vielleicht weil es für mich immer so sicher war wie das Amen in der Kirche, dass ich irgendwann einmal Mutter sein werde. Es fühlt sich so an, als wäre das eine meiner Aufgaben im Leben – Leben zu schenken, Verantwortung für ein kleines Wesen zu übernehmen, mich nicht nur um mich selbst zu drehen. Und außerdem kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit einem Mann, den ich liebe, etwas Neues aus uns entstehen zu lassen. Es fühlt sich so … natürlich an.«
Rosalie zupft, wie immer wenn sie aufmerksam zuhört, an ihren kurzen blonden Haaren.
»Und ich will auch nicht ohne Kinder alt werden«, füge ich hinzu. »Das mag vielleicht egoistisch klingen, aber ich habe die Hoffnung, dass Kinder einen jung halten. Man kriegt mehr mit von der Welt und weiß durch seine Enkelkinder auch noch mit achtzig, welche Musik gerade in ist. Verstehst du ?«
»Wie läuft es mit Hector ?«, fragt Rosalie unvermittelt.
»Wie kommst du denn jetzt darauf ?« Ich trinke den letzten Teeschluck und quetsche mit meinem Löffel die Minzblätter zusammen.
»Na ja, schließlich spricht für Hector, dass er sich auch Kinder wünscht.«
»Das ist aber auch alles«, murmele
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