Löffelchenliebe (German Edition)

ich gerne einmal ausprobieren würde. Neben Detektivin und Front-Sängerin einer berühmten Band. Vorausgesetzt ich hätte in allen Bereichen eine Begabung, von der bislang niemand etwas wusste.
    Weiße Schwäne fliegen über die Bühne, formieren sich zu Paaren und gehen wieder auseinander. Prinzessin Odette wurde von einem bösen Zauberer in einen Schwan verwandelt, einzig um Mitternacht kann sie wieder ihre Menschengestalt annehmen. Im Mondlicht tritt nun das wunderschöne Schwanenmädchen aus dem Wasser, der Prinz eilt zu ihr, ich halte den Atem an. Auch weil mein Kleid im Sitzen doch etwas eng ist. Wenn ich die Augen zukneife, sehe ich echte Schwäne knapp über dem Bühnenboden schweben. Ich bin wie verzaubert.
    Hinrich gähnt. Silvia blickt angestrengt durch ihr Opernglas, was mir in Anbetracht der Tatsache, dass wir in der ersten Reihe sitzen, ein bisschen übertrieben vorkommt. Ich schaue zu Hector. Seine Miene verrät nichts. Nicht, ob er die Darbietung genießt oder ob er mit seinen Gedanken ganz woanders ist. Ich fasse nach seiner Hand und drücke sie. Muss daran denken, dass es erst acht Tage her ist, seit ich das erste Mal bei ihm war. Seitdem haben wir noch zwei weitere Abende – und Nächte – miteinander verbracht. Jedes Mal war es schön, jedes Mal wurde feinste Kost aufgetischt, jedes Mal habe ich mit Make-up und Wimperntusche geschlafen. Und jedes Mal habe ich es vermieden, mich zu fragen, ob ich in Hector verliebt bin. Doch hier im Dunkeln, neben ihm, in fließende Musik gehüllt, fließen auch meine Gedanken, und zwar immer wieder zu der Frage, was das überhaupt ist: Verliebtsein.
    Im Kopf mache ich eine kleine Liste:
    Top Five der Verliebtheitsgefühle:
    1.Schmetterlinge im Bauch (ein schwer zu fassendes Gefühl, doch eines ist sicher: Wenn sie da sind, weiß man, dass sie da sind)
    2.Leidenschaftliches Verzehren nach der anderen Person, wenn sie nicht da ist (und manchmal auch, wenn sie da ist, man aber erkennt, dass man nicht in sie hineinkriechen kann)
    3.Sich wohlfühlen in Gegenwart der anderen Person
    4.Die andere Person unglaublich attraktiv finden
    5.Im anderen einen Seelenverwandten sehen
    Also, Schmetterlinge im Bauch habe ich keine. Auch keine Flugzeuge. Vielleicht eine einsame Flugameise ? Die zählt nicht, beschließe ich – also kein Haken bei Punkt eins. Gelegenheit, mich leidenschaftlich nach Hector zu verzehren, gab es noch keine. Punkt zwei muss offen bleiben. Wenn nicht gerade sein Porsche Boxter eine Wertminderung erfährt, fühle ich mich in Hectors Gegenwart wohl. Ein Haken hinter Punkt drei. Attraktiv finde ich Hector auch. Ob ich ihn unglaublich attraktiv finde, weiß ich noch nicht. Na, ich setze mal einen Haken. Sind wir seelenverwandt ? Ich drücke noch einmal seine Hand. Keine Reaktion. Vermutlich eher nicht.
    Resultat: zwei Mal Haken, zwei Mal kein Haken, ein Punkt bleibt offen. Fünfzig-fünfzig. Heißt das, dass ich halb in Hector verliebt bin und halb nicht ? Gibt es das überhaupt ? Oder müssen, um von Verliebtsein sprechen zu können, alle fünf Punkte erfüllt sein ?
    Wenn ich ganz, ganz ehrlich zu mir selbst bin, käme die Verliebtsein-Topliste vermutlich mit einem einzigen Punkt aus: Wenn man verliebt ist, weiß man, dass man es ist.
    Hm, ich bin also nicht in Hector verliebt. Ach, was soll’s, denke ich. Was noch nicht ist, kann ja noch werden. Schließlich hat das gerade erst begonnen mit Hector und mir. Und es soll ja auch Frauen geben, die verlieben sich erst nach Jahren oder sogar Jahrzehnten in ihren besten Freund. Verglichen mit denen ist meine Gefühlsentwicklung doch als ausgesprochen rasant zu bezeichnen.
    Nur was, wenn niemals auch nur ein winzig kleiner Zitronenfalter in meinem Magen Achterbahn fährt ? Auch diesem zaghaften Stimmchen kann ich Paroli bieten. Achterbahnfahrten haben es so an sich, dass sie irgendwann vorbei sind. Die Schmetterlinge sterben so oder so, und zurück bleiben die Dinge, die wirklich zählen: dass man sich mag, dass man sich aufeinander verlassen kann und, ganz wichtig, dass man ähnliche Lebensentwürfe hat. Und die haben Hector und ich. Womit sich mein Argumentationskreis auf wundersame Weise und ganz in meinem Sinne geschlossen hätte. Zufrieden gehe ich in die Pause.
    »Neumeier ist doch immer wieder sehenswert«, verkündet Silvia, die ein langes dunkelgrünes Kleid, pardon, eine Robe mit dunkelroter Schärpe trägt und allerlei goldenes Gehänge an Ohren, Hals, Armen und Fingern. Sie sieht aus, als wollte